
Lilly Schön ist Referentin im Zukunftsforum Familie e.V. Sie ist dort für die Themen Gleichstellung, Zeitpolitik, Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sowie Vielfalt Familie zuständig. Das Zukunftsforum Familie ist ein familienpolitischer Fachverband, der sich für die Interessen von Familien einsetzt und für soziale Gerechtigkeit in der Familienpolitik kämpft. Es ist Mitglied im Bündnis Sorgearbeit fair teilen.
Eines der größten Hindernisse für equal pay ist die ungleiche Verteilung von Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern. Frauen übernehmen immer noch den Löwenanteil der Care-Arbeit[1] und sind auch diejenigen, die sich besonders oft um ihre pflegebedürftigen Angehörigen kümmern: Nach Daten des SOEP pflegten im Jahr 2020 drei Millionen Frauen und 1,9 Millionen Männer ihre Angehörigen für mindestens eine Stunde an Werktagen. Frauen übernahmen dabei sehr viel mehr Stunden Pflege als Männer. Ein großer Teil der pflegenden Frauen leistet gleichzeitig Erwerbsarbeit.[2]
Aber was heißt das konkret für die betroffenen Frauen? Auch sie haben nur 24 Stunden am Tag, die sie zwischen Erwerbstätigkeit, Care-Arbeit für pflegebedürftige Angehörige, möglicherweise noch Beschäftigung mit den eigenen Kindern und Selbstsorge aufteilen müssen – meist bleibt dabei insbesondere letzteres auf der Strecke. Viele reduzieren ihre Arbeitszeiten, um der emotionalen, zeitlichen und körperlichen Überlastung etwas entgegenzusetzen, mit weitreichenden finanziellen Folgen. Einige steigen ganz aus dem Erwerbsleben aus.
Dabei ist die Gesellschaft auf diese Arbeit pflegender Angehöriger angewiesen. Ohne ihre Leistungen wäre das gesamte System der Pflege bereits zusammengebrochen. Umso wichtiger ist es, dass nicht pflegende Frauen diejenigen sind, die mit Überlastung, niedrigen Einkommen und Altersarmut für die Schwächen des Systems zahlen müssen. Ein erster Schritt für mehr Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist es, der Tabuisierung des Themas in der Welt der Erwerbsarbeit entgegenzuwirken. Außerdem müssen die teilstationären und ambulanten Unterstützungsangebote zugänglicher werden und flächendeckend verfügbar sein. Zudem braucht es einen Kulturwandel, der Männer stärker in die Pflicht nimmt, sich in die bezahlte sowie unbezahlte Pflegearbeit einzubringen.
Erwerbstätige pflegende Angehörige benötigen darüber hinaus auch eine finanzielle Unterstützung, die sie langfristig im Beruf hält. So schlagen Verbände und der unabhängige Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf die Einführung eines Familienpflegegeldes vor. Pflegende Angehörige erhielten dieses für bis zu 36 Monate, wenn sie ihre Arbeitszeiten reduzieren, um Pflege zu leisten. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um die Arbeit, die sie leisten, anzuerkennen und die negativen finanziellen Folgen abzufedern. Statt vollständig aus dem Beruf auszusteigen, bleiben Frauen so dem Arbeitsmarkt erhalten, was langfristig dazu beiträgt, die Lohnlücke zu schließen. Außerdem könnten so auch Männer einen Anreiz erhalten, mehr zu pflegen. Die Bundesregierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag dafür ausgesprochen. Geschehen ist bisher noch nichts – das muss sich dringend ändern.
[1] Frauen verbringen täglich 52,4 Prozent mehr Zeit für unbezahlte Sorgearbeit als Männer (https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/gender-care-gap/indikator-fuer-die-gleichstellung/gender-care-gap-ein-indikator-fuer-die-gleichstellung-137294)
[2] https://publica-rest.fraunhofer.de/server/api/core/bitstreams/798f565d-adcb-460c-abc4-539552668be4/content