Auch wenn sich nicht abstreiten lässt, dass der Horrorfilm nicht nur, aber auch als Möglichkeit für misogyne Fantasien genutzt wird, halten Fans nicht zu Unrecht dagegen, dass kein anderes Genre seine Charaktere derart gleichberechtigt dahinmetzelt und gerade Horrorfilme besonders vielfältige weibliche Hauptfiguren hervorgebracht haben. In jedem Fall ist das Genre eine riesige Fundgrube voller feministischer Themen – ein vielschichtiges Juwel aus dem Jahr 2014 wollen wir uns heute nochmal ins Gedächtnis rufen.
„Wenn es der Mama gut geht, geht es auch dem Kind gut“: ein Satz, den sich unzählige Mütter zu Genüge haben anhören müssen. Aber was, wenn es der Mama eben nicht gut geht? Was, wenn der Wirbelwind Sam (großartig gespielt von Noah Wiseman) einem schon beim Nur-Zusehen so auf den Zeiger geht, dass man ihn am liebsten einmal durchschütteln würde? Das Verhalten des kleinen Jungen in Jennifer Kents „Der Babadook“ würde Zuschauer:innen auf den ersten Blick in den Wahnsinn treiben, jedoch kommt nach und nach die Frage auf, ob man sich nicht eher vor der Mutter fürchten müsste. Essie Davis‘ Amelia hat ihren Mann auf dem Weg ins Krankenhaus zu Sams Entbindung bei einem Unfall verloren. Das Trauma sitzt tief; Amelia ist, wie Regisseurin Kent sagt, „am Ertrinken“ – gefangen in einer dysfunktionalen Beziehung zu ihrem immer schwieriger werdenden Sohn.
Die Angst vor dem eigenen Kind ist ein Tabu-Thema, dem sich Kent mit „Der Babadook“ stellt. Denn auch ohne ein derartiges Trauma dürften viele Mütter, insbesondere alleinerziehende, das Gefühl vom „Ertrinken“ kennen – in einer oft endlosen Welle von unbezahlter Sorgearbeit, Mental Load, Schlafmangel und und und. Die wirklichen Monster sind im Horror oft gerade nicht die Geister, Vampire und andersartigen Wesen. Das Monster tragen wir ins uns selbst. Alles verschlingende Trauer wie in „Der Babadook“ ist eines davon.
„Hier ist mein Spiel, meine Wette für dich: Je mehr du leugnest, desto stärker werd’ ich“: Die finale Konfrontation Amelias mit dem Monster ist ein Mutter-Moment, der sich vor Ripleys Kampfansage an die Alien-Königin in Aliens (1986) nicht verstecken muss. Nicht außen vor gelassen sei an dieser Stelle außerdem die Tatsache, dass es auch eine queere Lesart des Films gibt – und sich die Figur des Babadook gar zu einer LGBTQ-Ikone entwickelt hat. Es gibt also mehr als einen guten Grund, sich Kents Klassiker (nochmal) anzusehen.