Was bringt die Umsetzung der EU-Entgelttransparenzrichtlinie?

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Dr. Heide Pfarr ist Professorin für Arbeits- und Wirtschaftsrecht a.D. mit dem Schwerpunkt Gleichstellung in der Erwerbsarbeit und engagiert sich im Deutschen Juristinnenbund. Sie beleuchtet die Bausteine, Instrumente und Potenziale der EU-Entgelttransparenzrichtlinie.

Foto: Christian Schneider

Der Gender Pay Gap belegt, dass das grundrechtlich und europäisch verbriefte Recht auf Entgeltgleichheit für gleiche und gleichwertige Arbeit nicht die Praxis prägt. Warum ist das Recht so wirkungslos?

Das geltende Recht hat zwei grundsätzliche systemische Fehler. Sie beziehen sich auf die Transparenz und die Durchsetzbarkeit. Was die Transparenz betrifft, hat diese zwei Aspekte. Der eine ist, dass viele Frauen nicht wissen, was der Kollege mit der gleichen Arbeit verdient. Erst recht wissen sie nicht, was jene männlichen Beschäftigten verdienen, die Arbeit verrichten, die in ihren Anforderungen und Bedingungen mit ihrer Arbeit gleichwertig ist.

Der zweite Aspekt der Transparenz ist, dass es in der Regel völlig undurchschaubar ist, auf welcher Basis und mit welchen Methoden entschieden worden ist, wieviel eine Arbeit wert ist. Welche Anforderungen werden berücksichtigt? Welche Qualifikationen, Arbeitsbedingungen, Belastungen?

Zur Durchsetzbarkeit: Obwohl die Gleichstellung der Geschlechter ein Auftrag zum Handeln an den Staat ist, hat dieser deren Durchsetzung den Diskriminierten selbst übertragen. Er selbst stellt ihnen lediglich den Zugang zu Gerichten zur Verfügung. Die Frauen, die weniger Entgelt bekommen als ihre Kollegen, müssen sich selbst und allein gelassen darum kümmern, ihr Recht zu bekommen. Sie müssen sich gegen ihre jeweiligen Arbeitgebenden durchsetzen, also in einer sozialen Lage handeln, in der kaum jemand in den Konflikt gehen und dabei die Arbeitsbedingungen oder gar den Arbeitsplatz gefährden möchte. Geht eine Diskriminierte dennoch dieses hohe Risiko ein und gewinnt, haben die anderen vergleichbar benachteiligten Kolleginnen nichts davon. Das Unternehmen wird durch das Urteil nicht zur umfassenden Beseitigung der Benachteiligung verpflichtet. Also kein Wunder, dass ein so entworfenes Recht den Gender Pay Gap nicht verringert hat.

Das Entgelttransparenzgesetz von 2017 hat diese grundsätzlichen Fehler nicht beseitigt; zwei Evaluationen belegen seine Unwirksamkeit. Nun aber zwingt die EU-Entgelttransparenzrichtlinie die Bundesrepublik, spätestens mit Wirkung für 2026 Gesetze zu erlassen, um endlich den Gender Pay Gap abzubauen. Wenn die Bundesrepublik die Regulierungen in der Richtlinie richtig umsetzt, kann dies wirklich gelingen. Denn die Richtlinie greift genau die Defizite auf, die das deutsche Recht unwirksam machen: Sie schafft Transparenz und Instrumente für die Durchsetzung gleichen Entgelts.

Die Anforderungen der Richtlinie an Transparenz sind umfassend. Auf der individuellen Ebene gewährt sie einzelnen oder Gruppen von Beschäftigten erleichterten Zugang zur Kenntnis über Entgeltunterschiede, und zwar ohne komplizierte und undurchsichtige Verfahren wie im geltenden Entgelttransparenzgesetz. Unternehmen müssen ihre Beschäftigten sogar jährlich über deren Recht informieren, das Einkommen vergleichbarer Kollegen zu erfahren. Verlangt wird auch Transparenz über das Einstiegsgehalt für Bewerber:innen.

Die Richtlinie belässt es für die Transparenz nicht auf der individuellen Ebene. Vielmehr müssen die Unternehmen Transparenz herstellen über das Zustandekommen von Entgelten und den Gender Pay Gap. Sie müssen ermitteln, ob Arbeitsleistungen nach objektiven Kriterien bewertet werden und weibliche Arbeit systematisch benachteiligt wird. Wenn sich Entgeltunterschiede gezeigt haben, die nicht gerechtfertigt sind, müssen die Unternehmen selbst tätig werden. Hier zeigt sich ein anderer, wirksamer Weg zur Durchsetzung des Entgeltgleichheitsgebots. Die betroffenen Unternehmen werden verpflichtet, gemeinsam mit den Interessenvertretungen der Beschäftigten die Entgeltstrukturen so zu ändern, dass alle Geschlechter für gleiche und gleichwertige Arbeit gleich bezahlt werden und damit die Entgeltlücke geschlossen wird.

Entscheidend für die Durchsetzung ist, dass Unternehmen nicht nur intern, sondern auch nach außen berichten müssen, sodass kontrolliert werden kann, ob Abhilfe geschaffen wird bei Entgeltdiskriminierungen. Dazu muss eine sogenannte Überwachungsstelle eingerichtet werden, die die Berichte der Unternehmen sammelt und veröffentlicht. Verfahrensvorschriften und die Möglichkeit von Verbänden zur Unterstützung von Betroffenen sollen die Einhaltung des Rechts durchsetzen. Die Richtlinie sieht nicht nur Schadensersatz für Diskriminierte vor: Wenn Unternehmen ihre Pflichten nicht erfüllen, müssen wirksame und abschreckende Sanktionen drohen und tatsächlich angewandt werden, wie Geldbußen und der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen.

Ein Gesetz, das den Forderungen der europäischen Richtlinie entspricht, wäre also imstande, endlich den Gender Pay Gap abzubauen. Es lohnt sich wirklich, für ein so gestaltetes Recht zu kämpfen.

Dieser Text ist ursprünglich im Februar 2025 erschienen.

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