Karsten Kassner ist Diplom-Soziologe, systemischer Berater und Supervisor sowie Vater von zwei schulpflichtigen Kindern. Seit 2017 arbeitet er in vollzeitnaher Teilzeit als Fachreferent für Grundsatzfragen in der Geschäftsstelle des Bundesforum Männer – Interessenverband für Jungen, Männer und Väter. Karsten Kassner lebt und arbeitet in Berlin.
Foto: Harry Schnitger
Männer und Frauen arbeiten in etwa gleich lang, nämlich im Durchschnitt täglich knapp 7:40h. Allerdings sind Männer etwa eineinhalb Stunden länger mit Erwerbsarbeit, Frauen hingegen gleichermaßen länger mit unbezahlter Haus- und Familienarbeit beschäftigt. Diese Differenz ist in Haushalten mit minderjährigen Kindern besonders ausgeprägt. Das ist nicht der einzige, aber doch ein besonders wichtiger Grund für den Gender Pay Gap.
Der Väterreport 2023 des BMFSFJ [1] zeigt: Ein Viertel der Erwerbskonstellationen von heterosexuellen? Paaren mit minderjährigen Kindern entsprechen dem männlichen Alleinverdienermodell, 44 Prozent einem modernisierten Ernährermodell mit Mann in Vollzeit und Frau in Teilzeit und 21 Prozent einem partnerschaftlichen Modell mit beiden in Vollzeit oder beiden in Teilzeit. Vollzeitarbeit und Überstunden sind „Männerdomänen“. Wirtschaft und Betriebe bauen darauf, dass Männer diese unhinterfragt leisten. Das Normalarbeitsverhältnis als gesellschaftliche Norm ist männlich geprägt und bedeutet unter anderem: Vollzeit ein Leben lang, Anwesenheit und Verfügbarkeit im Betrieb, keine externen familialen Verpflichtungen.
Mannsein ist zudem noch immer stark mit der Idee des „Familienernährers“ verknüpft. Leistung zeigen, funktionieren müssen, sich dem Wettbewerb stellen, eine Familie ernähren können, gelten weiterhin als zentrale Anforderungen an Männlichkeit und als Basis des männlichen Status. Allerdings bestehen daneben zunehmend neue Anforderungen, etwa fürsorglich und emotional zugewandt zu sein oder sich Zeit für Familie und Kinder zu nehmen. Das führt zu widersprüchlichen Erwartungen an Männer und oft auch zu Überforderung, die krank machen kann. Ein Fünftel der Männer hält die eigenen Arbeitsbedingungen für stark gesundheitsgefährdend.
Viele Väter würden ihre Arbeitszeit gerne reduzieren und in vollzeitnaher Teilzeit arbeiten. Eine individuelle oder gar kollektive Arbeitszeitverkürzung wäre insofern ein wichtiger Schritt für Männer, gesellschaftliche Normen und Leitbilder aufzubrechen, gesundheitliche Belastungen zu reduzieren und zeitliche Spielräume für Tätigkeitsfelder außerhalb der Erwerbsarbeit zu erweitern. Damit hätten Männer nicht nur für sich selbst etwas zu gewinnen, sondern würden auch Räume öffnen für Frauen, eigene Erwerbschancen verstärkt zu realisieren und in die eigene ökonomische und soziale Absicherung zu investieren. Soweit sich die Lebensläufe von Männern und Frauen in diesem Sinne weiter angleichen und Erwerbs- und Sorgearbeit jeweils in sich vereinen, wäre das ein wesentlicher Beitrag zur Verringerung sowohl des Gender Pay als auch des Gender Care Gap.
[1] BMFSFJ (Hg.): Väterreport 2023: BMFSFJ – Väterreport 2023
Andere Referenzen:
WSI Genderdatenportal: Zeitaufwand für bezahlte und unbezahlte Arbeit 2012/2013: wsi_gdp_zeitverwendung_2019-07-02_3.pdf
BZgA: Daten und Fakten zur Männergesundheit: Faktenblatt Männergesundheit (Stand: November 2020) (bzga.de)