Die Mittdreißigerin Kim Jiyoung hat ihren Job aufgegeben, um sich um ihr Baby zu kümmern. Kurz darauf entwickelt sie eine psychische Erkrankung, und ihre Persönlichkeit scheint sich in Imitationen ihr bekannter Frauen aufzuspalten. Doch wie sich zeigt, ist ihr Problem kein psychologisches, sondern ein gesellschaftspolitisches – mit dem sich viele Frauen identifizieren dürften.
Die Männer im Haus bekommen leckere Mahlzeiten, sie nur das, was davon übrig ist. Ihr Bruder hat alles für sich allein, sie muss alles mit ihrer Schwester teilen. Mitschüler und Männer schikanieren, verfolgen und belästigen sie, und das schon im Kindesalter. Kim Jiyoung muss früh lernen, was es heißt, eine Frau zu sein.
Kim Jiyoung lebt in der südkoreanischen Metropole Seoul. Während des Studiums arbeitet sie hart, und bekommt trotzdem nur mit Mühe einen Job – schließlich lohnen sich männliche Bewerber mehr, da sie nicht ausfallen, sollten sie eine Familie gründen. Und tatsächlich gibt Kim Jiyoung ihren Job auf, als sie ihr erstes Kind bekommt, während ihr Ehemann weiterhin bis nachts arbeitet und auch am Wochenende ins Büro geht.
Eines Tages scheint sich ihre Persönlichkeit aufzuspalten, und sie schlüpft in die Rollen ihr bekannter Frauen. Ihr Ehemann zieht einen Psychiater zu Rat, der nüchtern ihr Leben nacherzählt – das davon geprägt ist, als Frau in einer patriarchalen Gesellschaft aufzuwachsen. Denn Kim Jiyoungs Leben wird tagein, tagaus von sexistischen Geschlechterstereotypen und den männlichen Figuren um sie herum bestimmt, und es ist ihr kaum möglich, ihre Gefühle, Bedürfnisse und Träume ernstzunehmen und sich selbst zu entfalten.
Die Geschichte von Kim Jiyoung spiegelt die schmerzhafte Realität wider, in der Frauen so oder so ähnlich auf der ganzen Welt leben. Dass ihre Erfahrung keine individuelle ist, wird auch von der Autorin Cho Nam-Joo immer wieder betont, indem sie die Handlung mit Statistiken untermauert, die die fiktive Ungleichheit im Roman in die reale gesellschaftspolitische Lage in Südkorea einordnen.
Cho Nam-Joo sagt dazu im Nachwort: „Immer wieder geht mir durch den Kopf, dass irgendwo da draußen eine Kim Jiyoung lebt. Wahrscheinlich, weil sie meinen Freundinnen, Bekannten und mir selbst ähnelt. (…) Meine Tochter sagt, sie möchte später Astronautin und Naturwissenschaftlerin und Schriftstellerin werden. Ich glaube, die Welt, in der sie leben wird, wird besser sein als meine, und dafür kämpfe ich. Ich hoffe, alle Töchter dieser Welt können noch größer, höher und weiter träumen.“ Dem können wir uns nur anschließen!
– Lena Mändlen