Interview mit Frank Behrendt

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Das Zeitalter der Partizipation

Frank Behrendt ist Senior Advisor, Autor, Speaker, Impulsgeber, Podcaster, Kolumnist, New Worker – und ein Digitalisierungsgewinner. Im Interview verrät Behrendt, wie Digitalisierung helfen kann Ungleichheiten zu überwinden und warum der Equal Pay Day (EPD) für ihn ein Skandal ist.  

Nach einer Ausbildung an der Deutschen Journalistenschule folgten für Frank Behrendt Stationen bei Henkel, BBDO, PolyGram und RTL. Er wurde CEO der PR-Agentur KetchumPleon und 2011 Vorstand bei fischerAppelt. Seit 2017 ist er Senior Advisor bei Serviceplan. Frank Behrendt wurde mit „10 ernsthaften Ratschlägen, wie man lockerer durchs (Berufs)Leben kommt“ bekannt. Sein erstes Buch „Liebe dein Leben und NICHT deinen Job“ wurde ein Bestseller. Sein zweites Buch trägt den Titel „Die Winnetou-Strategie“ und sein drittes Buch hat er gemeinsam mit dem Psychologen Dr. Bertold Ulsamer geschrieben. Es heißt: „Von Kindern lernen“.  

Die Medien bezeichnen Dich als »Guru der Gelassenheit«, wie hat sich für Dich Gelassenheit in den vergangenen Jahren durch die voranschreitende Digitalisierung verändert? 

Die technologische Entwicklung der vergangenen Jahre hat mir geholfen, noch flexibler zu arbeiten und letztendlich der Dirigent meines Lebens zu werden. Ich arbeite eigentlich von überall, auch wenn ich im Urlaub bin. Dafür ist für mich eine Arbeitswoche aber auch nie eine reine Arbeitswoche, sondern immer ein Hin- und Herschalten zwischen Work and Life. Ich bin ein großer Freund der Work-Life-Integration und dabei hilft mir Technologie.

Aber ist das Fehlen einer klaren Trennung zwischen Berufs- und Privatleben nicht eines der größten Probleme der modernen Arbeitswelt? 

Wie man Arbeit und Beruf trennt, ist in vielen Jobs eine selbstbestimmte Entscheidung. Wer sich von Technik und Anderen treiben lässt und meint, er oder sie müsste immer on sein, ist selbst dafür verantwortlich. Jede*r hat die Wahl das Handy auch mal auszuschalten. Wichtig ist die klare Kommunikation im Vorfeld, wann man erreichbar ist und wann nicht. Wer ungestört Deep Work macht, ist immer schneller fertig. Man darf auch nicht vergessen: Das Büro, in das man früher so gerne gegangen ist, hält auch viele Störquellen bereit. Deshalb sorgt weniger Büro aus meiner Sicht für bessere Ergebnisse und eine optimalere Integration von Arbeit ins Leben. Wenn ich meine to do`s erledigt habe entscheide ich: investiere ich die eingesparte Zeit in weitere Arbeit oder in Freizeit? Ich entscheide mich meistens für Freizeit.

Beobachtest Du Unterschiede im Umgang mit Digitalisierung bei Frauen und Männern?

Mein Eindruck: Frauen gehen smarter mir den Devices und der persönlichen Verfügbarkeit um als Männer. Viele Männer haben aus der Tradition heraus das Gefühl, immer erreichbar sein zu müssen. Mein Eindruck:  Weibliche Angestellte sind oft viel effizientere Managerinnen als die männlichen Kollegen, die sehr viel Zeit mit Posing und Gerede, wie toll sie sind, vertrödeln.

Nicht umsonst lautet unser Motto für den EPD 2022 „Equal Pay Day 4.0 gerechte Bezahlung in der digitalen Arbeitswelt“. 

Allein, dass es einen Equal Pay Day geben muss, ist für mich schon ein Skandal. Es ist mir ein völliges Rätsel, wie irgendwo jemand auf die Idee kommen kann, dass für die gleiche Arbeit Männer und Frauen unterschiedlich entlohnt werden. Digitalisierung bietet mehr denn je die Möglichkeiten, dass Leute, egal ob sie Familie haben, egal wo sie arbeiten, egal wie sie arbeiten, einen gleichwertigen Beitrag leisten und dafür sollten Sie equal Payment erhalten. Dafür aufzustehen, ist eine wichtige und wertvolle Sache!

Was muss Deutschland in Politik und Gesellschaft für die Gleichstellung bei der Digitalisierung beachten?

Erstmal müssen die technischen Möglichkeiten geschaffen werden, damit überhaupt alle an der Digitalisierung teilnehmen können. Ich bekomme Nackenstarre vom Kopfschütteln an Elternabenden, wenn ich sehe, dass unsere Schule kein funktionierendes WLAN hat oder sich manche Lehrkräfte komplett diesem Thema verweigern. Es müssen die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, aber auch die technische Infrastruktur. Es gibt sehr viel zu tun.

Wie verändert sich die Führung durch Digitalisierung und welchen Einfluss kann sie sowohl auf Führungskräfte als auch auf Arbeitnehmer*innen haben?

Führungskräfte sollten ihr Verhalten an die moderne Welt anpassen, sie müssen lernen mehr zu vertrauen. Vertrauen in die Angestellten, dass sie egal wo, in welchem Zeifenster auch immer, ihren Beitrag leisten. Zudem halte ich es für wichtig, dass Chefs und Chefinnen nicht mehr die alleinigen Bestimmer sein sollten. Wir leben und arbeiten im Zeitalter der Partizipation.

Dabei hat man aktuell im Home-Office noch mit einigen Vorurteilen zu kämpfen…

Ich habe gehört, dass man Menschen unterstellt, sie würden es ausnutzen, wenn sie Freiheiten bekommen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Es gab und gibt immer Menschen, die mit mehr Freiheit nicht umgehen können, unabhängig an welchem Ort sie arbeiten. Es gab und gibt auch im Büro Leute, die angestrengt vorm Bildschirm so tun als würden sie arbeiten aber dabei Sodoku spielen. Gerade während des Lockdowns hat man gemerkt, dass teilweise Arbeitsergebnisse durch die Ruhe, durch die Fokussierung im Homeoffice besser waren als die im Büro erbrachten.

Gibt es auch hier Unterschiede in der Behandlung der Geschlechter?

Es gibt oft mehr Vorurteile, sobald Familie im Spiel ist. Manche Vorgesetzte haben ein Problem mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Aber eine großartige Managerin bekommt auch Job, Partnerschaft und Familie parallel gemanagt, wenn die Parameter für ausreichende Flexibilität gegeben sind. Manche Arbeitende sind alleinstehend, trotzdem langsam und bekommen nichts gelötet. Andere haben drei Kinder, Partner, Job und bekommen alles hervorragend hin. Das ist am Ende eine Frage von individueller Kompetenz, Haltung und Struktur, nicht von Geschlecht.

Haben die jetzt unterbewerteten und unterbezahlten sozialen Berufe eine Chance, endlich ihren Anforderungen gemäß bezahlt zu werden?

Man würde es sich wünschen, aber der Mensch ist leider vergesslich und die Zeit schreitet sehr schnell voran. Wir erinnern uns alle noch, wie wir auf dem Balkon standen und geklatscht haben. Inzwischen klatscht keiner mehr, es hat sich für die betroffenen Kräfte nichts wirklich geändert. Ich bin überzeugt, die Zeit wird uns dazu zwingen, dass wir da etwas tun müssen: Gehälter anheben, Menschen dauerhaft wertschätzen, Personal aufstocken. Ich wünsche es mir zwar anders, aber wir dürfen da nicht nur auf die Vernunft setzen, es bedarf leider auch drastischer Maßnahmen – hoffentlich auch vorangetrieben durch die neue Bundesregierung – damit sich wirklich etwas tut!

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