Für „Mädchen, Frau etc.“ erhielt Bernardine Evaristo unter anderem den renommierten Booker Prize. Der Roman erzählt die Geschichten von zwölf größtenteils weiblichen Charakteren, die verschiedener nicht sein könnten und durch ihre Erfahrungen doch miteinander verbunden sind.
Feminismus und queere Identität, Rassismus und Klassismus, Generationenkonflikte und Gewaltbeziehungen: nur einige der vielen Themen, mit denen sich die britische Autorin Bernardine Evaristo in „Mädchen, Frau etc.“ (2019) auseinandersetzt. Sie erzählt darin die fiktiven Geschichten von elf Frauen und einer nicht-binären Person, deren Leben auf unterschiedliche Art durch ihre Identität als Schwarze, weiblich sozialisierte Personen geprägt sind.
Da wäre beispielsweise Amma, eine etwa 50-jährige lesbische Frau, die ihr Leben dem Kampf gegen Unterdrückung gewidmet hat – und deren Tochter Yazz sie für ihre Art kritisiert, ebenjenen Kampf zu führen. Denn laut Yazz seien die Einstellungen ihrer Mutter nicht zeitgemäß, ihr Feminismus sei kein richtiger Feminismus und sowie stelle sich die Frage, ob Feminismus noch Feminismus heißen und Frauen sich noch Frauen nennen sollen.
Auch Bummi und ihre Tochter Carole haben unterschiedliche Vorstellungen vom Umgang mit ihrer Identität. Bummi ist aus Nigeria nach London geflohen, verdient sich ihr Leben als Reinigungskraft und musste Carole aufgrund des Todes ihres Mannes allein aufziehen. Ihre ehrgeizige Tochter macht Karriere in der Finanzbranche, unter anderem um den rassistischen Vorurteilen zu trotzen, mit denen sie immer wieder konfrontiert ist. Bummi kann Caroles Lebensweg nicht nachvollziehen, und besonders dann, als diese mit einem weißen Lebenspartner ankommt, fühlt Bummi sich verraten.
Dann gibt es noch Morgan, eine weiblich sozialisierte Person, die nach ihrem Coming-Out als nicht-binär auf Social Media über Genderidentitäten aufklärt. Morgans 93-jährige Großmutter hat ihre Schwierigkeiten damit, Morgan zu verstehen, versucht es jedoch – und kommt zum Schluss, dass Morgan so oder so die gleiche Person sei, egal ob Morgan nun Megan oder Morgan heißt.
Besonders lesenswert macht den Roman Evaristos Talent, komplexe Charaktere zu zeichnen, die ebenso Raum für Identifizierung und Mitgefühl wie für Kritik aufweisen. So wird unter anderem beleuchtet, dass auch Feminist:innen in ihrem Feminismus ambivalent sind. Das zeigt sich beispielsweise an der Geschichte von Dominique: Diese lernt als junge Frau Nzinga kennen, mit der sie in eine feministische Wohngemeinschaft in den USA zieht – wo Nzinga immer autoritärer mit ihr umgeht und sich eine Beziehung entwickelt, die das Gegenteil von gleichberechtigt ist.
„Mädchen, Frau etc.“ ist eine Empfehlung für alle, die sich in intersektionalen Feminismus einlesen und verstehen wollen, wie unterschiedliche Formen der sozialen Ungleichheit und Diskriminierung miteinander zusammenhängen – und wieso wir diese auf allen Ebenen angehen müssen, wenn wir eine gerechte Welt für alle Menschen wollen.
– Lena Mändlen