Wir wollen in unserem Podcast darüber sprechen, was passieren muss, damit in Deutschland Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Arbeit endlich auch gleich bezahlt werden.
Wie stellen wir die Weichen auf gerechte Bezahlung in der Arbeitswelt von morgen? Wie schaffen kürzere Arbeitstage gleiche Karrierechancen für Frauen und Männern? Was erfahren wir aus den Drehbüchern für Filme und Serien über unsere Vorstellungen von der Arbeit? Und wie wird IT inklusiv? Das alles wollen und noch viel mehr wir mit diesem Podcast herausfinden.
Wir freuen uns, wenn Ihr Mal reinhört! Garantiert ohne Kater danach!
Alle Folgen hier.
Natascha Heinisch:
Letzten Sommer habe ich von einer Freundin eine große Leinwand geschenkt bekommen, die ich neu gestalten wollte, und zwar mit Farbsprühdosen. Das hatte ich vorher noch nie gemacht, aber ich wollte eben neu gestalten und habe gedacht, mit Schablonen arbeiten und rumsprühen kann ja nicht so schwer sein. Ich hab mir eine FFP3 Maske zur Sicherheit übergezogen, weil ich dachte, das ist sicher genauso gut wie eine Maske für Sprayer (und kostet nur einen Bruchteil), habe losgesprüht und direkt festgestellt, dass das so nicht geht. Also man bzw. ich braucht definitiv in Kombination mit der Farbe eine richtige Sprayer-Maske sonst endet das… misslich. Die Maske war mir aber weiter zu teuer und zu doof, also habe ich mit Acrylfarben drüber gemalt und das Bild auch irgendwie fertig gemacht, aber es war null so wie ich es mir vorgestellt hatte, hat mir nicht gefallen und im Schrank hatte ich weiterhin die auch nicht gerade günstige Sprühfarbe rumstehen. Aufgehängt hab ich das Riesenbild nicht, weil ich es nicht schön fand. So… am Ende habe ich mir jetzt doch eine Sprayer-Maske gekauft und fange nochmal am Anfang an. Wenn ich es direkt gescheit angegangen wäre, hätte ich mir viel Arbeit gespart, aber ich wollte eben schnellschnell machen und das hab ich jetzt davon. Auch in unserer heutigen Folge wird es darum gehen, wie man sich manchmal durchbeißen muss, wie Umstellungen manchmal ruckelig von sich gehen und wie Neuerungen es aber auf jeden Fall wert sind, wenn man es richtig angeht. Heute spreche ich mit Christina Wolff und Alexandra Kühnen. Hallo Alexandra, hallo Christina, schön, dass ihr da seid!
Alexandra Kühnen:
Hallo Natascha, vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich sehr, hier zu sein.
Christina Wolff:
Hallo auch von mir. Ich freue mich auch, heute mit euch hier zu sein.
Natascha Heinisch:
Bevor wir ins Inhaltlich-Fachliche reingehen, fangen wir erst mal mit unseren Gästen und Gästinnen an. Also zuerst mal zu euch beiden: Wer seid ihr und was macht ihr so?
Alexandra Kühnen:
Ja, mein Name ist Alexandra Kühnen. Ich bin Sozialarbeiterin, Supervisorin und Organisationsberaterin und seit ungefähr 20 Jahren an der Uni Bielefeld beschäftigt und seit fast ungefähr zehn Jahren stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte dort und aktuell auch Vorständin in der bukof. Außerdem bin ich Mutter von drei Kindern und das sage ich auch, weil es ja sozusagen Teil unseres Themas hier ist, weil ich der zutiefsten Überzeugung bin, dass das Private auch politisch ist und damit eben auch bei dem Thema unbezahlte Arbeit direkt ankomme und dem Thema equal pay. Also es fängt direkt bei uns in unseren Rollen auch an und da dachte ich, da nehme ich doch gleich mal Bezug drauf.
Christina Wolff:
Ich bin Christina Wolff, Soziologin und seit vielen Jahren in der hochschulpolitischen Gleichstellungsarbeit aktiv. Aktuell leite ich an der Universität Potsdam das Koordinationsbüro für Chancengleichheit und da sind unsere Schwerpunkte von Geschlechtervielfalt über Frauenförderung, Diversitätspolitik und Antidiskriminierung relativ breit, in die Mitte der Hochschule hineingebracht. Und ja, ich bin die zentrale Gleichstellungbeauftragte und seit 2021 im Vorstand der bukof. Und ja, vielleicht kurz zu mir: Meine Arbeit ist für mich nicht nur so ein Beruf, sondern auch Berufung und besonders das Netzwerken und das strategische Arbeiten, das Beraten, aber auch der Umgang mit Widerständen finde ich gut und macht mir Spaß und erfordern aber auch viel Engagement und auch Resilienz und auch einen starken Zusammenhalt und den finde ich zum einen in meinem Team, aber auch in der bukof. Und dafür bin ich sehr dankbar.
Natascha Heinisch:
Jetzt ist die bukof schon mehrfach genannt worden, die Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen. Dann wollen wir auch zu der als Nächstes und als Erstes kommen. Was macht die bukof genau und welches Thema beschäftigt sie vielleicht aktuell ganz besonders?
Alexandra Kühnen;
Die bukof gibt es seit jetzt mehr als 30 Jahren und ist so was wie die geschlechterpolitische Stimme im wissenschafts- und hochschulpolitischen Diskurs. Das heißt, unsere Mitglieder sind alle, die an Hochschulen, die sich im Gleichstellungsbereich, aber auch im Antidiskriminierungsbereich, im Diversitätsbereich engagieren. Und wir sind mit unseren Themen für alle Statusgruppen an den Hochschulen unterwegs und informieren und sensibilisieren zu den Themen rund um Geschlechtergerechtigkeit. Und das machen wir, indem wir so Stellungnahmen verfassen, Positionspapiere schreiben, Argumentationshilfen zur Verfügung stellen für unsere Mitglieder, eben den Hochschulen zusätzlich zu ihrer Arbeit, die eben manchmal mit mehr, manchmal mit weniger Ressourcen ausgestattet ist, eben auch noch mal so ein Backup zu haben. Und Themen, die uns jetzt beschäftigen, die wir in Kommissionen bearbeiten – also wir haben so Fachkommissionen und Arbeitsgruppen, aber eben auch die Landeskonferenzen der Gleichstellungsbeauftragten arbeiten bei uns eben in gesonderten Gruppen – und das sind Themen so wie Personalentwicklung oder auch Mitarbeitenden, Technik und Verwaltung, Vereinbarkeit, zu Familienkommissionen, zu Governance oder jetzt eben auch relativ neu, die jetzt für uns besonders relevant sind, wie zum Beispiel Antifeminismus, eine relativ neue Kommission, oder auch queere Hochschulpolitik, weil natürlich auch diese Themen für viele Gleichstellungsakteure eine Rolle spielen. Und ja, wir jetzt als Vorständinnen sind viel unterwegs und reden dann eben auf Tagungen, auf Netzwerkveranstaltungen mit Vertreterinnen von der Deutschen Forschungsgesellschaft, Hochschulrektorenkonferenz, anderen Forschungseinrichtungen, Ministerien und versuchen da eben so, unsere Themen zu positionieren, aber eben auch Hinweise zu geben, jetzt zum Beispiel auch zur Bundestagswahl.
Diese politischen Entwicklungen machen auch natürlich für Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen nicht halt und in einigen Bundesländern gibt es ja bereits Verbote der gendersensiblen Sprache. Und das ist nicht nur eine symbolische Maßnahme, sondern hat direkte Konsequenzen für die Kultur an Hochschulen und natürlich für Menschen, die ganz konkret davon betroffen sind. Und so eine Demokratiemüdigkeit oder auch so eine zunehmende Feindlichkeit gegenüber Gleichstellungspolitik führen zu antifeministischen Strömungen, die im Wahlkampf zum Teil ja bewusst genutzt wurden, Menschen gegeneinander auszuspielen. Und das spüren wir in der bukof, also alle, die sich in Hochschulen und Forschungseinrichtungen für Chancengerechtigkeit und Diskriminierung einsetzen, schon ziemlich. Und da geht es eben schon längst nicht mehr nur ums Gendern oder das Abschaffen der Gender Studies, sondern dieser Hass und die Hetze richten sich auch immer häufiger gegen Gleichstellungsthemen, gegen geschlechtliche Vielfalt, gegen WissenschaftlerInnen in der Öffentlichkeit oder auch Verwaltungsmitarbeit, die sich für eine offene und gerechte Hochschulkultur engagieren.
Natascha Heinisch:
Was macht ihr aktuell an den Hochschulen mit einzelnen Mitarbeiter: innen, mit euren anderen Gleichstellungsbeauftragten, das aufzufangen? Kann man das irgendwie auffangen?
Christina Wolff:
Es ist natürlich schwer, das einzufangen, weil es eben auch unterschiedliche und auch unbekannte Auswirkungen ja auch noch hat. Also jetzt gerade eben, wenn wir nach Amerika gucken, wo wir sehr besorgt hingucken, wo sich relativ schnell viel verändern kann, wo Diversitätsbüros geschlossen werden, wo Fördergelder gestrichen werden. Das sind ja schon sehr große Maßnahmen. Und das, was Alexandra gerade erzählt hat, dass wir eben Anfeindungen ausgesetzt sind, dass wir das sehen, das ist natürlich das, was unsere Mitglieder auch in der täglichen Praxis erfahren und all das in dieser Gemengelage besorgt eben viele. Und da so ein bisschen gegenzuwirken, ist es zum einen so, dass wir uns natürlich mit anderen Akteur:innen, die ich schon nannte, zum Beispiel mit der Hochschirektorenkonferenz oder dem Deutschen Frauenrat, zusammentun und wir eben gemeinsam Statements über Social Media posten, dass wir im Grunde darüber Netzwerke gründen und eben auch bestärken, sodass man das Gefühl hat, man ist auch nicht alleine an seiner Hochschule, sondern das sind viele und wir sind viele und wir kämpfen für Demokratie und für Solidarität. Und auf der anderen Seite aber gehen wir eben selber mit Positionen, sowohl auf Bundesebene als auch auf Landesebene, als auch an die Hochschulleitungen heran und machen immer wieder auf diese Gefahren, auf die Missstände auch aufmerksam.
Also zum Beispiel mit Forderungen, die wir jetzt auch rund die Bundestagswahl formuliert haben, wo es zum einen dazu geht, dass wir den Hochschulen nahelegen, noch besser an Strukturen zu arbeiten gegen sexualisierte Belästigung, Gewalt, Machtmissbrauch. Dass man da wirklich genau hinschaut: Wer ist betroffen davon? Was passiert an Hochschulen? Aber auch, dass wir weitergehen und sagen: Um diese Arbeit zu tun, die wir machen, braucht es verlässliche Finanzierungen. Es braucht Fördergelder, es braucht weiterhin Programme wie das Professorinnen Programm, es braucht feste institutionalisierte Strukturen, feste Stellen, keine prekären, befristeten Gleichstellungsbeauftragten, die nach ein paar Jahren schon wieder weg sind. Um auch diese Angst zu, dass das, also eben, Dinge zu institutionalisieren und die Angst zu nehmen, dass irgendwann einfach die Gelder gestrichen werden können an Hochschulen. Ja, und dann geht es weiter, dass wir natürlich auch sagen, die Arbeitskultur an Hochschulen muss verbessert werden rund die Debatten ums Wissen Wirtschaftszeitvertragsgesetz, also mehr Dauerstellen für Daueraufgaben, bessere Befristungsmöglichkeiten, auch equal pay, dazu kommen wir ja gleich, und neues Thema, aber auch wichtiges Thema: Digitalisierung. Wir beobachten viel Hass auch im Netz Anfeindungen, und dass man da, wenn man schon Digitalisierungsstrategien hat, mehr mit AI arbeitet, dass man da auch diversitäts- und geschlechtersensibel vorgeht, Menschen schult an Hochschulen, die das machen.
Und das sind so Forderungen, die wir in so kleinen Häppchen unterschiedlich an die Hochschulen bringen, dann uns immer wieder auch darauf beziehen an verschiedenen Stellen.
Natascha Heinisch:
Jetzt hast du das Stichwort Positionspapier schon genannt und auch die Befristung von vielen Stellen, die an Hochschulen ein massives Problem ist. Das würde ich nehmen, einen Schwenk hinzumachen zu Stellen, die in aller Regel unbefristet sind, aber die trotzdem ein anderes Häufchen Probleme mit sich bringen. Ihr habt ein Positionspapier veröffentlicht: „Endlich Entgelt Gerechtigkeit und faire Arbeitsbedingungen in Hochschulsekretariaten schaffen.“ Die Hochschulsekretariate, ich glaube, alle, die an Unis sind, kriegen das so ein bisschen mit, für alle anderen, die außerhalb der Bubble sind, ist das wahrscheinlich ein ganz eigenes Feld, also Sekretariate sind in aller Regel, das sind die Stellen entfristet, aber es ist sehr, sehr schwierig, Menschen für diese Stellen zu finden. Die Lage an vielen Hochschulsekretariaten ist sehr schwierig. Damit würde ich gerne einmal einsteigen. „Sekretärin“ in Anführungszeichen, also das Arbeitsfeld ist ja sehr, sehr weiblich konnotiert. Warum gilt es gerade für Arbeit an Hochschulsekretariaten, wo Hochschulen doch auch oft sehr viel Männerdomänen sind.
Alexandra Kühnen:
Also es ist unterschiedlich. Ich würde jetzt auch nicht sagen, dass in den Sekretariaten, dass das immer unbefristete Stellen sind. Und ganz wichtig ist, glaube ich, auch zu sagen, dass die in der Regel Teilzeit sind. Und manchmal teilen die sich auch in drei Stellen auf. Also ich glaube, das ist noch mal auch so eine Idee, dass in dem Bereich Technik und Verwaltung unbefristete Stellen sind. Das ist nicht mehr so und es ist aber auch so, wie du sagst, Natascha, es wird immer schwieriger, Menschen zu finden, die das machen. Und Sekretariate sind quasi die Carearbeit der Wissenschaft, so haben wir das mal genannt. Also es soll alles irgendwie gut vorbereitet sein, alle Unebenheiten sollen geglättet sein, damit sich dann alle auf die eigentliche Arbeit, nämlich auf Wissenschaft, Forschung und Lehre fokussieren können. Und dass diese Arbeit in diesen Hochschulsekretariaten oft als weiblich konnotiert wahrgenommen wird, das hat verschiedene strukturelle Gründe. Es gibt zum einen natürlich diese historischen Rollenbilder, wo dann ganz klar ist, dass das als unterstützender Bereich wahrgenommen wird und das ist quasi so eine Verlängerung der häuslichen Pflichten. Deswegen passt das ganz gut. Sekretariatsarbeit und Verwaltungsarbeit ist sozusagen die Reproduktion der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung. Dann gibt es natürlich auch diesen Part drin, dass es eine gewisse Erwartung gibt an Geschlechterrollen und die gesellschaftliche Erwartung, dass Frauen geduldig, kommunikativ, organisatorisch stark sind. Die haben eben auch dazu beigetragen, dass Berufe im Sekretariatsbereich als passend für Frauen angesehen wurden. Und wenn man als Frau kommunikativ ist und organisationsstark, dann ist es keine Kompetenz, sondern dann ist es so, wenn man eben eine Frau ist. Und deswegen muss das dann eben auch nicht bezahlt werden. Und so wächst so was sozusagen, so historisch. Zu dem Thema equal pay kommen wir ja gleich noch. Aber ich glaube, dass das schon mal wichtig ist, diesen Schwenk, das zu verstehen, was eigentlich auch das bedeutet, was das Ungerechte daran ist. Aber ein ganz wesentlicher Punkt, und der ist ja heute auch immer noch Fakt, das sind natürlich auch die Arbeitsmarktstrukturen, die da eine wichtige Rolle spielen. In vielen Organisationen, einschließlich der Hochschule oder wissenschaftlichen Einrichtungen, sind administrative Rollen oft schlecht bezahlt und haben weniger Aufstiegsmöglichkeiten im Vergleich zu männerdominierten Bereichen. Und dazu gehört eben auch die Unterbewertung dieser klassischen Managementaufgaben und die Unsichtbarkeit der komplexen Koordinations- und Organisationsleistungen, die damit einhergehen. Es gibt einfach auch eine geringe symbolische und auch materielle Anerkennung. Und dann gibt es sozusagen diese Reproduzierung von „da sind viele Frauen, da arbeiten viele Frauen in so einem Bereich“, und deswegen wird dann auch diese Rolle als passend für einen selbst empfunden.
Und die Faktoren tragen dazu bei, dass die Arbeit in Hochschulsekretariaten oft als weiblich konnotiert wahrgenommen wird. Und diese Wahrnehmung, die verändert sich wirklich nur sehr, sehr langsam. Und deswegen ist es ja eben so wichtig, diesem stereotypen Bild nen Realitätscheck zu verpassen, nenne ich das mal. Und das haben wir mit der bukof -Kampagne, die du gerade ja schon angesprochen hast, also das Positionspapier. Die Kampagne hieß „Vernetzt euch!“ mit den Hochschulsekretariaten 2020. Damit haben wir sozusagen langsam hoffentlich angefangen.
Natascha Heinisch:
Es gibt ja immer so das Argument – ich bin ja auch relativ lang an verschiedenen Stellen im öffentlichen Dienst gewesen – dass Stellen… die werden ja schon immer so hoch eingruppiert, wie es denn überhaupt geht. Und wenn die Stelle so eingruppiert ist, dann ist es, weil nur so und so viel Geld eben da war und mehr ist nicht da. Beziehungsweise in die Tätigkeitsbeschreibung schreibe ich dann nur das rein, was dieses Geld abdeckt und alles, was darüber hinaus vielleicht gemacht wird, das steht dann da gar nicht erst drin. Wie kann ich denn dieses Argument entkräften? „So ist es halt.“
Alexandra Kühnen:
Also unsere Erfahrung ist meistens eine andere, nämlich dass das Geld eigentlich eine zweitrangige Rolle spielt, weil der Unterschied zwischen E6 und E8 ist in den Dimensionen zum Beispiel bei einem Drittmittelprojekt, eher gering. Die Professor:innen wünschen sich oftmals einfach ein funktionierendes Sekretariat und haben da mal mehr, mal weniger so eine konkrete Vorstellung, welche Aufgaben dort eigentlich erledigt werden sollen. Also Hauptsache Carearbeit, Hauptsache sozusagen, es ist alles geglättet und vorbereitet und ich kann loslegen und muss mich nicht diesen ganzen Alltagskram kümmern. Und dazu kommt eben, dass Professor:innen auch als Vorgesetzte sich leider mit dieser Tariflogik nicht unbedingt auskennen und das vielleicht auch nicht unbedingt wollen, weil sie natürlich ihren Fokus Richtung Wissenschaft und Forschung haben und welche Aufgaben da möglichst vom Sekretariat erledigt werden sollten, damit die Forschung reibungslos laufen kann. Das ist sozusagen der Fokus. Und gleichzeitig gibt es eben diese Tätigkeitsdarstellung, in der sehr kleinschrittig drin steht, was die Sekretärinnen tun sollen, damit es sozusagen auch bezahlt wird. Und viele Professor:innen, die wissen nicht mal, was ihre Sekretärinnen verdienen. Wir haben so eine Mini-Umfrage auch an der Uni Bielefeld gemacht. Nicht repräsentativ, aber es waren immerhin vier Professor:innen und keine davon – und die würde ich alle eigentlich als sehr engagiert bezeichnen – keiner davon wusste wirklich, was ihre Sekretärin verdient und sind aus allen Wolken gefallen, als sie das erfahren haben, mit wie wenig sie auskommen müssen für das, was sie da tun. Und sie konnten aber auch tatsächlich nicht wirklich beschreiben, was die da tun, nur, dass sie sie entlasten. Und das sagt ja schon mal ziemlich viel aus. Und diese Beschränkungen und Rahmenbedingungen, die dann der Tarifvertrag und auch diese Entgeltordnung uns an diesen Stellen vorgibt, die sind ja ziemlich spielentscheidend für diese Eingruppierung. Die kommen eben noch um drauf. Und die Professor:innen, die verlassen sich in der Regel einfach auf die Personalabteilung, die sozusagen die Sekretärinnen dann eingruppieren und in der Regel sehr konservativ in die E6 verordnen. Ja, und die bukof Kampagne „Fairnetzt euch!“ mit den Hochschulsekretariaten, hat neben dem Positionspapier auch eine Handlungsempfehlung geschrieben. Und diese Handlungsempfehlung, die haben wir übrigens an die Hochschulleitung gerichtet und adressiert, weil sie nämlich sehr deutlich macht, es gibt Spielräume, die die Hochschulen bereits jetzt nutzen können. Und von daher könnten Personalabteilungen in Hochschulen bereits jetzt was tun, also etwas progressiver eingruppieren. Und Professor:innen, die könnten ihre Verantwortung als Vorgesetzte wahrnehmen und sich mehr mit der Thematik beschäftigen, sich vor allen Dingen solidarisch zeigen und sich aktiv einsetzen damit Menschen in Sekretariaten einfach besser bezahlt werden.
Und hier geht es auch – und das muss man einfach so sagen, hier geht es auch Lobbyarbeit und die gegenseitige Unterstützung unterschiedlicher Statusgruppen an Hochschulen.
Natascha Heinisch:
Jetzt hast du über die Eingruppierung und die Spielräume schon geredet. Man könnte ja jetzt meinen, der öffentliche Dienst, dadurch dass er die Entgeltgruppen hat, die ja auch in jeder Stellenausschreibung immer genannt sind, kann sich nicht mehr verbessern im Bereich Entgelttransparenz. Entgelttransparenz ist ja das Thema der EPD-Kampagne 2025, also die Entgelttransparenz-Richtlinie und die Umsetzung in das deutsche nationale Recht. Wo hängt es denn auch im öffentlichen Bereich, dass selbst wenn man da mehr Entgelttransparenz hat, dass es trotzdem noch nicht fair oder auch zu 100% transparent ist?
Alexandra Kühnen:
Zum einen muss man sagen, dass der Tarifvertrag eben nicht diskriminierungsfrei ist. Das ist ja das, was du im Grunde ansprichst, also warum ist das nicht fair. Und da habe ich ja vorhin einmal schon mal gesagt, diese weiblich konnotierten Tätigkeiten sind ein Problem, weil sie eben sozusagen weiblich zugeschriebene Kommunikationsfähigkeit oder Organisationsfähigkeit wird eben zum Beispiel in dem Sekretariatsbereich nicht als Kompetenz anerkannt und deswegen eben auch nicht bezahlt. Nicht sichtbar, nicht bezahlt. Das ist schon mal das eine. Und das andere ist, dass natürlich Personalabteilungen in den Hochschulen sich, das ist so gängige Praxis, auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes beziehen. Das heißt, jedes Mal, wenn es Urteile gibt, dann beziehen sie sich da eben da drauf. Und kritisch ist allerdings, wenn man sich auf so ein BAG-Urteil bezieht, dann sind es oft Einzelfälle und die liegen in der Regel sehr weit zurück. Also wenn man sich ja sozusagen… Da sind dann irgendwann mal Urteile gefällt worden und auf die bezieht man sich dann immer wieder. Und was passiert, wenn die sehr alt sind, da werden dann jedes Mal Geschlechterrollen, Stereotype der vergangenen Jahrzehnte sozusagen reproduziert. Und ja, das ist einfach tatsächlich ein Riesenproblem, wenn man sich dann immer wieder auf diese Urteile bezieht.
Die wirken sozusagen rekursiv aufeinander. Und damit bildet sich, das, was ich gerade schon gesagt habe, dieser Wandel der Arbeit in dieser Bewertungslogik des Tarifvertrages einfach nicht ab. Dieser Wandel findet sozusagen nur sehr, sehr zeitverzögert Eingang in diese Bewertungslogik. Und deswegen ist es einfach so dringend geboten, zügig und konsequent Änderungen anzustoßen. Das versuchen wir natürlich mit dieser Kampagne oder auch mit dem Podcast heute, noch mal diese Zusammenhänge deutlich zu machen. Einerseits diese sehr weiblich konnotierten Tätigkeiten, die nicht bezahlt werden und andererseits, die immer wieder sich beziehen auf alte Urteile, die das Ganze reproduzieren. Aber Hochschulleitungen können trotzdem was tun. In den Handlungsempfehlungen haben wir das ja aufgenommen. Sie können zum Beispiel offensiv die Spielräume nutzen, die der TV-L und die Entgeltordnung zulässt. Es gibt Möglichkeiten, die Tätigkeitsbeschreibungen anzupassen und zum Beispiel – das ist auch das, was du vorhin schon einmal gesagt hast – administrative Aufgaben zuweisen, die sozusagen höher bewertet werden. Dann gibt es natürlich auch die Möglichkeit, Arbeitsprozesse oder Prozesse zur Arbeitsbewertung zu modifizieren und auch die Vergabe von Leistungskomponenten, die zum Beispiel im Tarifvertrag eben nicht abgebildet sind. Und dazu würde ja klassisch unterbewertet Managementaufgaben gehören. Da kann man sicherlich auch was machen.
Und ich glaube, dass der Fachkräftemangel den Sekretariaten auch in die Hände spielen wird, weil wir merken das ja alles schon an Hochschulen. Wenn wir Menschen suchen, die uns in den Sekretariaten unterstützen, wir finden kaum Menschen. Gott sei Dank, ich finde das auch richtig so und ich finde auch, dass die mehr fordern sollten. Und gleichzeitig muss es einfach viel mehr in die Strukturen, dass es nicht immer an den einzelnen Personen liegt. Und dazu gehört auch, und das können Hochschulen ganz leicht machen, zum Beispiel Aufwertungsprozesse vornehmen. Allein dadurch, dass man sich überlegt, ist es eigentlich noch eine passende Berufsbezeichnung, „Sekretärin“? Oder könnte man das nicht auch zum Beispiel „Office-Managerin“ nennen? Und zwar nicht einfach nur den Namen ändern und der Rest bleibt, wie er ist, sondern tatsächlich noch mal gucken: Was bedeutet das? Weil ganz viele Menschen haben ein Bild im Kopf, wenn wir über „Sekretärin“ sprechen.
Christina Wolff:
Ja, und ich würde vielleicht gerne ergänzen. Ich finde das sehr gut, was aktuell rund diese Bemühung auch passiert, dass sich Netzwerke gründen, Sekretärinnen-Netzwerke, weil oft sind diese Arbeitsplätze ja auch Arbeitsplätze, wo man jetzt weniger Kontakt auch noch mal zu anderen hat, auch über die die Hochschulgrenzen über die Bundeslandgrenzen hinaus und so Netzwerke, die sich jetzt aktuell auch gründen und immer wieder treffen, sind total wichtig. Also ich kann das jetzt aus meiner eigenen Praxis in meiner Hochschule auch sehen, dass ich immer wieder motiviere, auch dann eben da ins Gespräch zu gehen, weil das ist, glaube ich, etwas, was noch mal betont werden muss, dieses Wissen überhaupt dadrum. Und das ist ja bei equal pay, glaube ich, gerade immer ein Riesenthema: das Wissen – wie viel verdiene ich? Was bedeutet das? Das auch zu erzählen, sich auszutauschen mit anderen Personen in ähnlichen Situationen und dann überhaupt festzustellen: Aha, vielleicht könnte ich da noch mal fragen, ob nicht mal eine Überprüfung meiner Eingruppierung, meiner aktuellen Tätigkeiten notwendig ist. Und da eben Hinweise zu bekommen und auch zu wissen, wo man nachguckt. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt, was für mich auch mit Transparenz einhergeht, überhaupt Kenntnis davon zu haben und das auch transparent zu machen.
Ich würde vielleicht noch einmal ergänzen wollen, die Debatte rund um Gender Pay Gap in der Wissenschaft und ganz explizit im Bereich der Professorinnen und Professoren, weil es ja da auch immer wieder a) Rückfragen gibt, gilt das Entgeltstransparenzgesetz eben auch für diesen Bereich und gibt es überhaupt Ungerechtigkeit und diesen Gap? Weil eigentlich werden ja Professor: innen nach W-Besoldung bezahlt und da hat sich tatsächlich auch erst in den letzten Jahren – und wir reden ja nun nicht erst seit gestern über den Gender Pay Gap – gezeigt: Oh, da gucken wir doch mal genauer hin. Gibt es denn da eigentlich auch einen Gender Pay Gap bei Professor:innen? Und ja, es gibt einen, aber eben aktuell noch sehr wenig Zahlen. Ich weiß, dass die gemeinsame Wissenschaftskonferenz seit einiger Zeit da sehr daran interessiert ist, Zahlen zu gewinnen, auch mit den Kanzler:innen-Vereinigungen, also so was wie die bukof, nur für die Kanzler:innen eben im engen Gespräch ist und dass es einzelne Länder gibt, NRW meine ich und Niedersachsen, die sich das auch dann in ihren Bundesländern an ihren Hochschulen angeschaut haben – Bremen, glaube ich, auch – und auch da dann eben das publiziert haben. Tatsächlich gibt es das für Brandenburg zum Beispiel nicht.
Das heißt aber nicht, dass die Frage nicht existiert, dass wir nicht auch wissen wollen, ob das so ist. Und die Zahlen, die dabei herausgekommen sind, zeigen schon, dass der sogenannte unbereinigte Gender Pay Gap vorhanden ist, der eben sich aus unterschiedlichen Gründen auch zusammensetzt, also sowohl bei der Besoldung als auch bei den Leistungszulagen. Hier haben wir den Begriff wieder, das bekommen eben Professori:nnen auch. Das sind dann so extra Verhandlungsspielräume, die sie dann je nach Position und Fachbereich eben verhandelt haben. Und da gibt es ja dann grundsätzlich diese Annahme, Frauen würden nicht so gut verhandeln wie Männer. Das ist aber zu banal, das so pauschal einfach zu sagen. Also die Gründe, die sich ergeben, sind schon nach Hochschultyp natürlich, nach Anzahl der Frauen auf den Besoldungsgruppen, also weniger Frauen, ich glaube aktuell, auf jeden Fall unter 30%, die 25% auf W3-Professuren, das sind die höchst dotierten Professuren, wo wir ja noch weit entfernt sind von Parität. Dann eben auch der Fachbereich, also wer ist wo unterwegs? Und das sind natürlich auch Fragen, die man angehen kann oder die man anstoßen kann. Und da ist eben wichtig, genauso wie in dem MTV-Bereich, über den wir jetzt gerade gesprochen haben, sind einfach Zahlen.
Und die zu bekommen ist wirklich ungemein schwierig an den Hochschulen selber. Und wenn es da wenig Druck von Landes- oder Bundesebene gibt, dann reden wir in Jahren noch darüber: Gibt es da einen Gender Pay Gap oder nicht? Und ich kenne Leute, die den bezweifeln. Die sagen, es gäbe keinen auf der professoralen Ebene. Vielleicht können wir da noch mal anschließen zu dem, was wir jetzt gerade schon besprochen haben über auch eben Unterrepräsentanz von Frauen, weiblich konnotierte Berufe. Also in den Ingenieurswissenschaften verdienen, wo wir auch mehr Männer haben, verdienen die tatsächlich mehr als jetzt in Erziehungswissenschaften oder den Sozialwissenschaften, wo der Frauenanteil höher ist beziehungsweise paritätisch.
Alexandra Kühnen:
Ja, und da passt es wieder ganz gut, die weiblich konnotierten Tätigkeiten bleiben unbezahlt oder werden weniger gewertschätzt im wahrsten Sinne des Wortes, bekommen auch weniger Wert. Und ja, im MTV-Bereich ist das einfach so, da gibt es nach wie vor diese Vorstellung: „Wir haben einen Tarifvertrag, also verdienen wir alle gleich. Also deswegen kann es gar keinen Gender Pay Gap geben.“ Und insbesondere dieser unbereinigte Gender Pay Gap, den ja gerade Christina auch genannt hat, wenn man sozusagen darauf guckt, weiblich konnotierte Tätigkeiten, die hatte ich ja vorhin schon einmal genannt – Organisationsvermögen, soziale Kompetenzen, Kommunikationsfähigkeiten – die werden nicht benannt in der Entgeltordnung, werden nicht dargestellt und damit nicht bewertet und damit eben auch nicht bezahlt. Und ich glaube, dass es ein ganz wichtiges Faktum ist, dass wir da Zahlen, also Forschung zu brauchen, das einmal sozusagen auch zu belegen. Und natürlich guckt man eher noch mal in dem, du hast ja gerade gesagt, in verschiedenen Bundesländern, in NRW, wird da drauf geguckt, aber eben auf professoraler Ebene in dem Bereich Mitarbeiter in Technik und Verwaltung eher noch weniger. Aber da gibt es natürlich trotzdem ja auch schon Instrumente und Untersuchungen zu. Und ich will mal ein plastisches Beispiel sagen, da wird das nämlich so richtig, richtig deutlich.
Kommt jetzt nicht aus der Hochschule, aber kann man mit Sicherheit auch noch mal eins finden. Und zwar, wenn man zum Beispiel in einem Altenpflegeheim guckt, da arbeiten Hausmeisters, ist ein vorwiegend von Männern ausgeübter Beruf und auch der Altenpflegekräfte, der ja vorwiegend von Frauen ausgeübt wird, dieser Beruf. Und bei der Bewertung der Tätigkeit des Hausmeisters wird die körperliche Belastung, wie zum Beispiel schweres Heben oder Tragen berücksichtigt und bezahlt. Bei der Altenpflegerin, die ja auch Menschen hebt und im Bett treten muss, wird diese körperliche Belastung nicht berücksichtigt und nicht bezahlt. Und das ist dann eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Und das muss man sich einfach klar machen. Und da gibt es viele, viele unterschiedliche Beispiele von, die sind eben nicht ausgedacht, aber es gibt tatsächlich auch aktuell zum Beispiel ein Buch von Nikolaus Blome, der genau solche Aussagen als faktisch falsch bezeichnet und sagt, es gibt gar keinen Gender Pay Gap. Also es gibt eigentlich noch einen bereinigten Gender Pay Gap. Und das finde ich, gerade zu diesen politischen Zeiten, so eine Aussage zu treffen, wirklich brandgefährlich, auch wenn man sieht, in welchen Häusern solche Aussagen verbreitet werden.
Natascha Heinisch:
Für alle, die ihr da draußen zuhört, ist es ein guter Punkt auch für mich. Wir haben vor kurzem von der EPD-Kampagne ein Argumentarium rausgebracht, wo dann so Sprüche wie „Ja, den Gender Pay Gap gibt es nicht“ oder „Männer arbeiten halt schwerer“ oder „sie verhandeln besser“ oder wie auch immer, diese Argumente in kleine Bröckchen aufgestückelt sind, jeweils mit einer Antwort, die ihr im digitalen Raum zum Beispiel oder auch in einem Gespräch dann nutzen könnt, dem widersprechen zu können. Sehr, sehr wichtiger Punkt. Vielen Dank. Alexandra, du hast auch ein Bündnis mitinitiiert, das nennt sich „Bündnis für geschlechtergerechte Arbeitsbewertung“. Das passt zu dem ganzen Themenbereich, den wir jetzt schon besprochen haben, sehr gut dazu. Kannst du da auch noch mal kurz uns vorstellen, was die Ziele von diesem Bündnis sind?
Alexandra Kühnen:
Also das große Ziel ist natürlich, was sagt der Name natürlich schon, endlich eine geschlechtergerechte Arbeitsbewertung zu erreichen. Haben wir ja schon ganz viel darüber gesprochen, dass sie eben nicht geschlechtergerecht ist. Verschiedene Untersuchungen und Instrumente dazu gibt es ja bereits. Also das heißt, es gibt hier kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Das haben wir auch häufiger in der Gleichstellung und das möchten wir natürlich mit dem Bündnis ändern. Das Ziel dieses Bündnisses oder diese Idee, die dahinter steckt, ist, dass sich nicht Betroffene zusammentun, sondern dass sich Expert:innen und Institutionen, die schon lange zu dem Thema arbeiten und forschen, sich zusammentun, Politik und Menschen, die auch Einfluss nehmen können, auch ein bisschen mehr, ich will es mal so sagen, unter Druck setzen, Weil natürlich, es gibt das Entgelttransparenzgesetz, aber sprechen wir vielleicht auch gleich noch mal drüber. Das ist ja jetzt erst mal nichts, was eine ganz große Bewegung ausgelöst hat und das EU-Recht muss in nationales Recht umgesetzt werden. Auch da gibt es noch eine ganze Menge zu tun und in diesem Zuge haben wir gesagt, möchten wir einfach ein Bündnis gründen, was einerseits Wissen einspeist, aber eben auch Politik tatsächlich dahin führt, zu sagen, an diesen und diesen Stellen, da muss sich etwas ändern.
Und deswegen haben wir das erst mal, also es ist ein breites Bündnis, für geschlechtergerechte Arbeitsbewertung, aber wir haben das erst mal auf den öffentlichen Dienst sozusagen begrenzt, damit wir überhaupt Handlungsfelder eröffnen. Und mit diesem Bündnis wollen wir einen Beitrag dazu leisten, Kräfte zu bündeln, also sprich auch Lobbyarbeit zu machen, aktive, insbesondere Expert:innen und Institutionen miteinander vernetzen und wissenschaftliches Futter für Argumente einzuschweißen, insbesondere in der Politik. Und konkret wollen wir uns dafür einsetzen, dass das verbindliche Verfahren der geschlechtergerechten Arbeitsbewertung in die Gesetzgebung eingebracht werden, insbesondere eben auf das Umsetzen der neuen EU-Richtlinie und zur Entgeltgleichheit. Und dann gibt es natürlich bestehende Bewertungsverfahren, die einfach verbessert werden müssen. Haben wir auch gerade schon drüber gesprochen. Und ja, am Ende steht natürlich immer auch diesem Entgegenwirken dieser stereotypisierten Berufsbilder, die wir ja auch schon mit dem Sekretariat gerade besprochen hatten.
Natascha Heinisch:
Jetzt hast du das schöne Wort „Verbindlichkeit“ gerade genannt. Das bringt mich sehr gut zu meinem nächsten Punkt, und zwar würde ich gerne noch über Verhaltenskodexe beziehungsweise Codes of Conduct, reden, die ja auch immer wichtigere Rolle spielen, wenn es darum geht, antifeministische, diskriminierende Anfeindungen und Angriffe dagegen vorzugehen. Manche Hochschulen haben das schon oder Organisationen haben das schon. Wie ist es denn so allgemein den Code of Conduct bestellt an der deutschen Hochschule an sich?
Christina Wolff:
Ja, gute Frage. Ich würde mir wünschen, dass ich antworten kann, ja, sehr gut. Und gerade Hochschulleitungen und Menschen in verantwortlichen Positionen sehen das als gewinnbringend an. Ich glaube, da ist an vielen Stellen auch noch Nachholbedarf und das ist etwas, was wir natürlich über Gleichstellungarbeit auch stark steuern oder mit beeinflussen können, denn dadurch, dass Gleichstellungarbeit über Jahre gesetzlich auch verankert ist und oft eben diesen Terminus drin hat, man hat bestimmte Rechte, bestimmte Pflichten, Berichtspflicht und eben auch diesen Hebel, Standardisierungen einzufordern und eben auch dazu berichten zu müssen. Da kann man, glaube ich, viel lernen für so eine Governance Struktur in den Hochschulen. Wir versuchen das so aus der Gleichstellungsperspektive natürlich auch jetzt zu nutzen und das eben auch gerade bei Themen, wo wir natürlich nicht, was jetzt originär kein Gleichstellungsthema ist, wie Machtmissbrauch, aber eben auch gerade bei Anfeindungen oder eben bei sexueller Belästigung oder jetzt eben auch bei dem Thema Entgelt, Transparenz, gleiche Bezahlung oder auch in Berufungskommissionen, also Kriterien zu entwickeln, wie man eben auswählt, aber auch in ganz schlichten Bewerbungsverfahren. Also jetzt muss nicht immer gleich eine Berufung sein. Und da ist es natürlich wichtig, dass man überhaupt erst mal eine Sensibilisierung dafür hat: Was ist so ein Code of Conduct? Was sind so eine Selbstverpflichtungen? Wie sehen die aus? Wie stark bindend sind die auch? Was muss da überhaupt berichtet werden und dass alle auch davon dann wissen, dass nicht nur die Leitung sagt: Oh, wir haben jetzt hier eine Selbstverpflichtung verabschiedet, und dann wird das aber überhaupt nicht gelebt in der Praxis, also zum Beispiel dann in den Kommissionen. Oder dass Menschen, die das brauchen, also ein Verfahren, ein Beschwerdeverfahren zum Beispiel, überhaupt nicht wissen: „Wer sind hier die Beschwerdeanlaufstellen? Wo kann ich mich beraten lassen? Wie funktionieren dann die Wege?“. Also es ist zum einen, dass man überhaupt einen Willen hat, solche Standards einzuführen und dass man dann das Wissen auch diffundiert bekommt in die Hochschule selber, in die Praxis und das eben dann bei allen, also sowohl bei betroffenen Personen, als bei Verantwortlichen, als bei bearbeitenden Personen von solchen Themen. Und dass man dann eben vielleicht solche Prozesse, also so wirklich ganz klassisches Prozessmanagement und Qualitätsmanagement, dass man das auch evaluiert und guckt, funktioniert das auch? Also vielleicht hat man einmal ein Verfahren entwickelt und dann stellt man aber fest, könnte man auch noch mal evaluieren und dann müsste man eben gucken, evaluiert man das und auch voneinander lernen.
Also am Ende des Tages sind viele solche Prozesse, solche Standards, die man einführt, auch ähnlich und da kann man natürlich auch ganz gut voneinander lernen.
Natascha Heinisch:
Ich würde jetzt gerne von den großen strukturellen Sachen, über die wir auch schon geredet haben, mal noch ins ganz konkret „Kleine“ gehen. Und zwar frage ich alle meine Gäste und Gästinnen gegen Ende des Podcasts immer nach einer weiblich gelesenen Person, die ihrer Meinung nach mehr Aufmerksamkeit erhalten sollte, aus welchen Gründen auch immer. Eine Person, die ihr bewundert oder eine Person, von der ihr auch nur mal gehört habt, aber eine Person, die wir alle besser kennen sollten, eine weiblich gelesene.
Alexandra Kühnen:
Ja, dann fange ich mal an. Und zwar ist es bei mir … Ich musste auch ein bisschen drüber nachdenken: Wer ist das denn eigentlich? Und dann ist mir aber die Josephine Baker eingefallen. Und zwar ist die 1906 geboren und in dem Jahr, in dem ich geboren wurde, 1975 verstorben. Und ich finde, dass sie mehr Aufmerksamkeit bekommen sollte, nicht nur, weil sie eine bemerkenswerte Künstlerin und bekannte Tänzerin und Schauspielerin war, sondern auch eine Aktivistin. Und ich bin zufällig quasi auf sie gestoßen. Während eines Familienurlaubs in Frankreich habe ich ihr Anwesen mit meinem Mann und den Kindern besichtigt und war tief beeindruckt, weil ich eben nicht wusste, dass sie … Also sie ist nach Europa ausgewandert, nach Frankreich eben, dass sie sich da sehr eingesetzt hat, also zum einen für Menschenrechte und Gleichstellung auf jeden Fall, aber sie hat eben auch zwölf Kinder mit unterschiedlicher Herkunft adoptiert, die sie als ihre Regenbogenfamilie bezeichnet hat, ein Zeichen für interkulturelle Harmonie zu setzen. Und das hat sie schon Mitte der 50er-Jahre gemacht und hat dann auch so einen Kongress, den wir heute wahrscheinlich Kongress gegen Rassismus benennen würden, stattfinden lassen in ihrem Anwesen. Das ist ein relativ großes Haus, Schloss gewesen.
Und das hat mich einfach damals total berührt, weil ich dachte: „Das ist ja Wahnsinn, wie visionär und wie kraftvoll das zu dieser Zeit gewesen ist.“
Christina Wolff:
Ja, ich habe auch relativ lange darüber nachgedacht. Und habe mich am Ende für meine Omi entschieden. Sie ist 84 Jahre heute und hat ein relativ bewegtes Leben. Sie kommt aus der DDR und später dann natürlich in Deutschland gelebt. Und sie hat einen Zwillingsbruder, was, glaube ich, die Eltern dazu gebracht hat, so ein bisschen mehr auf Gleichberechtigung auch zu gucken in dieser Beziehung. Sie hatte immer genau dieselben Chancen wie er, weil sie da sehr fair waren: Er geht aufs Internat, sie geht aufs Internat. Und sie hatte dann die Möglichkeit, zu promovieren und ist eben promovierte Politikwissenschaftlerin und so ein bisschen wie so eine Quotenfrau in der DDR gewesen. Und ich finde, sie hat viel aushalten müssen. Also gerade was so Anfeindungen, so Ausgrenzungen, so Herabwürdigungen von ihrer Person gezeigt hat. Und in Bezug auf ihren Führungsstil, in Bezug auf ihre Art, Ehefrau zu sein, Mutter zu sein, einfach Frau zu sein, da wurde sie oft sehr schlecht bewertet. Und ich glaube, sie hat das immer so ein bisschen schwerer gehabt als Männer und doch aber hat sie so irgendwie nie den Mut verloren. Und diese Biografie von ihr, sie ist dann in die Bundesrepublik gekommen, nachdem die DDR nicht mehr war und hat dann bei REWE an der Kasse gearbeitet, jahrelang noch bis zur Rente.
Und hat aber irgendwie immer so was sehr Positives für sich behalten und auch immer noch diese Geschichte erzählt. Sie ist immer noch sehr politisch und sehr aktiv. Und manchmal würde ich mir wünschen, dass wir mehr solche Geschichten auch hören und diese Menschen auch mehr Politik machen würden.
Natascha Heinisch:
Zwei wundervolle Beispiele, ich danke euch. Und jetzt ganz, ganz, ganz zum Schluss kommt noch unsere berühmte Abschlussfrage: Was bringt dich aktuell zum Fauchen und was bringt dich zum Schnurren beim Thema equal pay?
Alexandra Kühnen:
Okay, da fange ich mal an. Also, was bringt mich zum Schnurren? Ja, das hört sich nicht so sexy an, aber es ist eigentlich ganz cool, nämlich, dass das Bundesarbeitsgericht in Deutschland in einem Urteil klargestellt hat, dass Frauen nicht schlechter bezahlt werden dürfen als ihre männlichen Kolleginnen, nur weil sie möglicherweise schlechter über ihr Gehalt verhandelt haben. Und dieses Urteil basiert auf dem Grundsatz der Entgeltgleichheit und dem allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Und ich habe ja vorhin einmal gesagt, dass man sich immer wieder auf diese alten Urteile bezieht und deswegen ist das total wichtig. Und das bringt mich schon zum Schnurren, dass das verändert sich was. Langsam, aber es tut sich was. Ja, dann sage ich noch, was mich zum Fauchen bringt. Und zwar ist es ein Teil des Entgelttransparenzgesetzes. Also nicht nur, weil es an vielen Stellen zahnloser Tiger ist, sondern vor allen Dingen dieses Recht auf Individualklage, um die Diskriminierung aufzusetzen, das bringt mich wirklich zum Fauchen, weil es einfach bedeutet, dass insbesondere Frauen… ja sehr hohes persönliches Risiko eingehen müssen, sozusagen ihrem Auskunftsrecht nachkommen zu können. Das heißt, Sie müssen als Einzelperson sich da hinstellen und sagen: „Ich möchte jetzt wissen, was meine Kollegen hier alle so verdienen“, und sie müsste das sozusagen auch als Individuum einklagen.
Und das finde ich … Ich weiß gar nicht, wie ich das beschreiben soll. Das führt schon dazu, dass Frauen sich entsolidarisieren. Sie werden quasi aufgefordert, sich zu entsolidarisieren und die einzelne Frau wird in den Fokus genommen. Und das muss man erst mal aushalten. Eine bekannte Journalistin hat das ja gemacht und ist ja auch wahnsinnig dafür abgestraft worden. Und ich finde, solche die bringen mich wirklich zum Fauchen. Das ist für mich das Allerletzte.
Christina Wolff:
Ja, da kann ich gut anknüpfen. Mich bringt aktuell zum Fauchen, dass ich das Gefühl habe, vieles, was wir erkämpft haben, geht uns verloren und wir müssen wieder weiter kämpfen. Du hast das schön gesagt, dieses auch auf so einem individuellen Rücken und als ob wir so durch bestimmte Politiken, durch bestimmte Situationen, zum Beispiel Ressourcenkämpfe, Ressourcen an den Hochschulen, bei Kürzungen so gegeneinander, also auseinandergetrieben werden, anstatt dass man uns die Chance gibt, solidarisch einzustehen. Also das kann so leicht passieren bei neuen Regierungen, bei neuen Landeshaushalten, bei neuen Hochschulleitungen. Und ich war am Wochenende gerade auf der Demonstration in Berlin, wo es die Kürzungen ging im Berliner Haushalt an Hochschulen, wo sehr viele von unseren Gleichstellungsakteur:innen von betroffen sind. Und das sind schon oft prekäre Stellen. Ich habe das ja vorhin schon mal gesagt und das macht mich einfach wütend, dass wir im Moment da so viel kämpfen müssen. Gleichzeitig aber macht es mich oder bringt es mich zum Schnurren, dass wir dann doch irgendwie solidarisch sind und dass wir zusammenstehen, dass es diese Demos gibt, dass wir einstehen für diese erreichten Dinge, die wir haben. Und noch mal auf den equal pay bezogen, finde ich, ist vielleicht ein bisschen fies, aber ich finde es manchmal ganz lustig, wenn ich in Debatten über den sogenannten Gender Pay Gap bei Professoren spreche und dann so aufgebrachte männliche Professoren sagen: „Aber die Professorin XY verdient viel mehr als ich“ und sich im Grunde so ärgern darüber.
Und dann denke ich so: „Aha, das ist dann so dieser Moment, wo man festgestellt, ja, sie müssen Privilegien hinterfragen, sie müssen Macht abgeben, sie sehen Veränderung.“ Und diese Veränderung sehen wir auch. Und dann freue ich mich, wenn ich genau solche kleinen Stories, und ich liebe es, alle, die mich kennen, wissen, dass ich liebe es, so Stories aus meiner alltäglichen Praxis zu erzählen, weil manchmal ist es so ein Moment so „wow, das passiert immer noch an Hochschulen, aha.“ Und das dann eben in so Diskussionsrunden wie hier zu erzählen, hier eingelernt zu werden, mit euch dazu ins Gespräch zu kommen, das macht mich dann so richtig happy.
Natascha Heinisch:
Vielen, vielen Dank euch beiden. Wir haben schon in mehreren vorherigen Folgen darüber geredet, dass das Wort Powerfrau so ein blödes Wort ist, weil es gibt ja auch keine Powermänner, sondern Männer sind halt Männer. In einer Folge hat eine Gästin mal gesagt, sie sagt eine She-Ra, also statt Powerfrau She-Ra. Also danke an euch zwei She-Ras für eure Arbeit und danke, dass ihr heute hier bei mir wart. An euch da draußen, wenn ihr Fragen habt zur heutigen Folge oder allgemein zum Thema equal pay, dann könnt ihr uns sehr gerne schreiben an info@equalpay.de und uns wie immer auch gerne folgen auf Social Media, wo wir unterwegs sind unter dem Hashtag #epd. Dann sage ich euch allen da draußen Tschüss und bis zum nächsten Mal und an euch beide noch mal vielen, vielen Dank.
Christina Wolff:
Danke an dich, Natascha. Es hat Spaß gemacht hier heute mit euch ins Gespräch zu kommen.
Alexandra Kühnen:
Ja, auch von mir. Einen lieben Dank für die Einladung. Ich fand’s großartig.