Podcats – der Podcast zu equal pay Folge 13 – Nora Gomringer – Transkript

Wir wollen in unserem Podcast darüber sprechen, was passieren muss, damit in Deutschland Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Arbeit endlich auch gleich bezahlt werden.
Wie stellen wir die Weichen auf gerechte Bezahlung in der Arbeitswelt von morgen? Wie schaffen kürzere Arbeitstage gleiche Karrierechancen für Frauen und Männern? Was erfahren wir aus den Drehbüchern für Filme und Serien über unsere Vorstellungen von der Arbeit? Und wie wird IT inklusiv? Das alles wollen und noch viel mehr wir mit diesem Podcast herausfinden.
Wir freuen uns, wenn Ihr Mal reinhört! Garantiert ohne Kater danach!

Alle Folgen hier.

Natascha Heinisch
Weil ich aktuell ein bisschen in Form kommen möchte, habe ich mir von einer Freundin, die wirklich jeden einzelnen Tag vor der Arbeit immer ganz brav ihre Bewegungseinheiten macht, einen Tipp geben lassen. Und zwar hat die gesagt: „Macht doch einfach 24 Minuten Tabata. Da kommt man ins Schwitzen, das ist sehr effektiv und es sind eben nur 24 Minuten.“ Und ich muss sagen, ich hatte das Gefühl beim ersten Mal, dass ich während dieser 24 Minuten mich mehrfach halb übergeben hätte – ist vielleicht aber auch ein bisschen übertrieben. Und ich muss auch sagen, ich habe es am Ende geschafft und obwohl das sehr schrecklich war, nach ein paar Tagen sogar wieder gemacht. Und da war es auch immer noch ziemlich, ziemlich schrecklich. Aber weil ich ja wusste, worauf ich mich einstellen muss, war es schon ein mini, mini, mini bisschen weniger schrecklich. Heute spreche ich mit einer Frau, deren Aufgabe mir zumindest auch so gigantomanisch, riesig groß vorkam, wie mir auch am Anfang mein Tabata Training vorkam.

Und auch sie wird uns heute erzählen, wie sie sich so nach und nach in diese sehr große Aufgabe eingefunden hat. Ich freue mich sehr, weil ich nämlich heute mit Nora Gomringer spreche, die vielen von euch wahrscheinlich als Slammerin bekannt ist und als Lyrikerin und als Autorin und als Preisträgerin und allen Bamberger:innen, zu denen ich mich auch immer noch irgendwie dazuzähle, ist sie als Leiterin des internationalen Künstlerhauses Villa Concordia bekannt. Ich war ziemlich aufgeregt vor unserem Gespräch heute, aber im Gegensatz zu Tabata war es dann wirklich einfach nur sehr toll. Ja, und deswegen geht es jetzt auch schon los und ich sage: Hallo, Nora Gomringer.

 

Nora Gomringer:

Hallo, freut mich sehr.

 

Natascha Heinisch:

Ich freue mich auch sehr, weil mit Ihnen der erste Gast bei uns in der Sendung ist, den ich wirklich tatsächlich auch schon mal persönlich getroffen habe. Es ist sehr, sehr lange her, im Jahre des Herrn 2005 war das, in einem Workshop im E. T. Hoffmann Theater. Und damals haben wir uns darüber unterhalten, dass die English Theatre Group den irgendwas, „Cripple of Inishman“ oder so was gespielt hat.

 

 
Nora Gomringer:

Ja, das stimmt. Bamberg, the Bamberg English Theatre Group.

 

Natascha Heinisch:

Richtig, richtig. Ja, das bringt mich auch gleich zu meinem ersten Punkt, weil ich den im Lebenslauf so besonders schön fand, das Jahr 2000. Praktikum bei der Academy of Motion Picture Arts and Sciences in Los Angeles und Arbeit als Hiwi am Lehrstuhl in der Anglistik. Das Jahr 2000 ist auch so für uns hervorgestochen, weil Sie damit 20 Ihren Gedichtband im Eigenverlag veröffentlicht haben und da wäre meine erste Frage: Wie ist es denn dazu gekommen?

 

Nora Gomringer:

Ich hatte irgendwie ein paar Auftritte und war ab meinem 16 Lebensjahr einigermaßen dafür bekannt, dass ich Texte rezitieren kann und mag. Und man hat mich zu Hochzeiten, Todesfeiern und allerhand Familienlustbarkeiten eingeladen und hat mich dann im Prinzip wie so eine Art Gedichtjukebox immer auftreten lassen. Das war oft nett. Also ich habe mir es wirklich zum Vorsatz gemacht, 100 Gedichte auswendig zu können und dann für jede Gelegenheit quasi was deklamieren zu können. Davon sind mir noch ein paar Gedichte geblieben. Ich kann also noch ein paar dieser Texte auswendig, aber sicher nicht mehr 100, leider. Aber ich weiß, dass das so die Runde macht und Leute davon wussten. Das war dann so vor allem so eine Lehrerschicht. Ältere Lehrer fanden das interessant, hier in Bamberg. Ich bin in Bamberg im Moment auch und erzähle hier aus dem Büro heraus, dem internationalen Künstlerhaus, wo ich ja auch als Direktorin arbeite. Und ich weiß, dass das so ein bisschen anfing und als ich dann eben merkte, okay, vielleicht darf ich mich auch trauen, mit eigenen Texten irgendwie mal in Erscheinung zu treten, da hat meine Mutter nachgeholfen und mir zum Abitur diese Texte verlegt. Und ich hatte so, ich glaube, insgesamt sind es so zwischen 50 und 60 Gedichte gewesen, die ich so zwischen meinem 14 und 18 Lebensjahr geschrieben hatte und ein paar sind schaurig und jetzt zum Schämen und andere halten immer noch und ich bin ganz überrascht und die hat meine Mutter mir verlegt.

Deshalb bin ich in Erscheinung betreten in der deutschen Literaturlandschaft, so als typische Selbstverlegerin erst mal und das war damals noch ziemlich neu. Also dass man Bücher über Amazon selbst machen konnte im Selbstverlag, das war wie so ein Gag. Also mir wirkte das total verrückt. Meine Mutter schenkte mir zum Abitur 250 meiner Bücher und ich war eine beschämte und irgendwie eitle Person und habe meiner Mutter, denke ich oft im Nachhinein, überhaupt nicht richtig dafür gedankt, was sie mir da für einen super lustigen und klugen Start geschenkt hat, weil damals wusste ich schon, na ja, in Deutschland, das ist nicht so anerkannt mit selbstverlegten Büchern und so und dann wollte ich ja zu einem Verlag und so. Aber es hatte wirklich den Effekt, dass diese 250 Bücher super schnell bei diesen ganzen diesen Lesungen sich so vertickten. Und dann hatte ich noch so, ich habe jetzt noch fünf, die ich auch echt mit Zähnen und Klauen so halte, weil natürlich Literaturarchive, die auch jetzt anfragen und so, aber die halte ich noch bei mir. Und ich weiß aber noch, dass meine Mutter dann auch gesagt hat, da musst du echt drauf achten. Du darfst nicht alles sofort von dir auch so vergeben.

Das Werk des Autors besteht eben auch in den Produkten, die er dann eben schafft. Und wie der Maler, muss er sehr gut dokumentieren, was er gemalt hat und wo es dann irgendwann hingegangen ist. Und deshalb, also diese 250 Bücher haben einen Grundstein gelegt und haben auch dafür gesorgt, dass ich dann zum ersten Mal einen Verlag gefunden habe, der eben außerhalb der Familien- und Blutsbande lag. Das war Grupello in Düsseldorf.

 

Natascha Heinisch:

Mit 30 haben Sie dann die Villa Concordia übernommen. Da kann ich mich auch noch daran erinnern. Da habe ich gerade meinen Magister-Abschluss gemacht. Da hab ich gedacht, Mensch, die Nora Gomringer, die ist jetzt die Leiterin von der Villa Concordia mit 30. Ich hätte mir in die Hose gemacht, wahrscheinlich. Vielleicht können Sie uns ein bisschen mitnehmen, wie das so war damals?

 

Nora Gomringer

Also ich darf nur berichten, es war auch für mich ein Wagnis zwischen Selbstprojektion und beständigem „Doch, doch, ich muss mich da nur hineinfühlen und es irgendwann werden und sein“ und dem Grad auch hin der Selbstüberforderung und das immer wieder aus mir heraustreten und draufgucken und sagen: „Krass, krass. Was hat das denn jetzt alles mit mir zu tun?“

Man muss dann herausfinden, wer ob man auch so als Chef ist und ob man ein guter Chef sein kann, was das auch bedeutet, was die Mitarbeiter für einen Chef brauchen, wollen und auch verdienen. Also ob es an das Höchste in einem appelliert oder ob man sich gehen lässt und auch sagt: „So sehen Sie halt, dass ich auch mal verzweifelt bin oder auch mal wütend oder so“, oder ob man eine Milde und eine Stetigkeit walten lässt. Ich habe auch verstanden, dass Männer ganz andere Chefs sind und ganz anders haushalten, zum Beispiel, als Frauen. Wobei, das ist jetzt auch wieder schräg, dass ich das komplett auf „Das machen Männer so und Frauen machen das anders“, aber mir kam es am Anfang so vor, dass ich mit so einem Dringlichkeitsprinzip angefangen habe zu arbeiten. Ich habe am 1. April, April-Scherz quasi war mein Vertragsbeginn und dann habe ich losgelegt und ich war im September des gleichen Jahres völlig erschossen.

 

Ich habe gedacht: „Das kann doch nicht sein. Ich habe überall versucht anzupacken, habe alles versucht, so zu verstehen und mitzumachen, wie man’s eben meint, auch machen zu müssen und habe mich dabei wirklich erst mal fast übernommen, musste mir dann auch ein bisschen Hilfe suchen. Ich habe jemand gesucht, der mir spiegelt, wie ich mit dem Unternehmen und dem Unternehmen der Institutionen, freistaatlich, was ich hier vielleicht an mir korrigieren muss, damit ich meinen Wahrnehmungsfilm ein bisschen verändere und das war sehr hilfreich für mich. Nicht in dem Moment, muss ich allerdings sagen, sondern eher vielleicht zwei, drei, vier Jahre später. Ich habe am Anfang nicht genau verstanden, was mir meine Mediatorin da so sagt, weil ich ja die ganze Zeit noch in diesem Hamsterrad und arbeitend war. Aber mit der Zeit, wo ich jetzt gelassener, älter, weiser und auch erfahrener werde in dieser Arbeit, merke ich, dass es so einen klaren Blick darauf mir geschenkt hat eigentlich und auch vor allem auf die Mitarbeiter und auf meine Beziehung zu ihnen.

 

Natascha Heinisch

Was wäre denn so ein Tipp an junge, aufstrebende Frauen, die in eine Leitungsposition in der Kunst streben wollen? Jetzt mit dem Rückblick der weiseren Nora Gomringer, was kann man so einem Menschen mitgeben?

 

Nora Gomringer

Also man kann, dadurch, dass sich das Radar im Mensch schnell weitergedreht hat, nur sagen, diese Stellen gibt es nur bei einer Top-Ausbildung, weil sie so rar sind. Man muss sich also mit irgendwas auch sehr nach außen profilieren. Und das ist entweder eine besondere Ausbildung, sprich man kann vielleicht ein langes Praktikum am Getty Museum in Los Angeles vorweisen oder man hat etwas so Außergewöhnliches in Petto. Dann gibt es ja auch die sehr frühzeitig sich bei bestimmten Arten von Museen oder in bestimmten Arten von Kunstinstitutionen schon früh so hineinbegeben. Die haben auch ganz gute Chancen, merke ich zwar nicht so als In-House-Bewerbung, die dann von innen heraus genommen wird. Aber hochklettern geht schon, vor allem eben im öffentlichen Dienst in Museumsposition. Aber nur bis zu einem gewissen Grad: Willst du Leitung, willst du Verantwortung tragen, musst du sehr früh zeigen, dass du bereit bist auf dem drei zwei Meter Brett ganz weit raus auf die Zehenspitzen zu treten und da zu stehen. Denn wie ich realisiere, in der Kunst will keiner Verantwortung tragen, weil natürlich wahnsinnig viele Leute mitreden und sagen: „Ja, das ist ja Quatsch“ und „Hö, höh, höh“ und „Das können wir alles besser“ und „Hö, höh“, und „Ist auch nicht so intelligent“ und „Das ist doch der Künstler viel besser“ und „So hätte man kuratieren müssen“ und so weiter.

 

Ich beobachte das bei sehr vielen Entscheidungen und da kann man immer nur sagen, also ständig wird irgendwas weggeschoben, aber ich realisiere die Politik, die mag es sehr, wenn einer sagt: Ich kümmere mich darum. Ich gucke mir die Kunst an und ich kümmere mich die Künstler und ich weiß in etwa, was da gebraucht wird und ich kann eine Sprache sprechen, die Vermittlung als Ziel hat, eine Brücke bauen. Das ist wirklich Intention und Wille und wenn es dann auch noch Talent ist, dann ist es gut. Deshalb, was rate ich, wirklich dezidiert: gute Ausbildung, ungewöhnliche Praktika. Also wirklich, je ungewöhnlicher, desto besser. Sei es also, wenn der eine nur auf Malerei geht, dann muss er einmal auf Film und dann muss er einmal auf Fotografie oder auf Virtual Reality sich irgendwas Besonderes angucken. Und ich gucke mir jetzt auch Bewerbungen an und reagiere ganz stark auf Leute, die mir sagen: „Ich habe dann mal ein Praktikum beim CERN gemacht. Ich wollte wissen, wie Teilchen beschleunigt werden und wie das funktioniert. Und dann frage ich: Was haben Sie da gemacht? „Eigentlich war ich da nur in der Cafeterie ja, angestellt oder so“. Dann sage ich: Super. Also wie witzig. Da haben sie sich wirklich einen verrückten Ort ausgesucht, sich mal auszuprobieren.

Und so was finde ich halt auch spannend. Also ich merke, da wird auch noch in der Kunst, wenn Leute Leute einstellen, auf den besonderen Blickwinkel geachtet und damit kann man ermutigen. Aber die Grundlage ist eine gute Ausbildung, mindestens Abitur und danach am besten der Doktortitel. Ich habe den nicht bisher mir erworben. Wird auch wohl nichts mehr werden jetzt so, weil einfach wahnsinnige Arbeitslast auf einem ist. Aber ja, die Ausbildung macht es und der besondere Winkel. Also so etwas, was so ein bisschen anders ist. Und vielleicht war es bei mir eben die Arbeit in Los Angeles, aber eben auch natürlich, dass ich sehr früh Schriftsteller war und mich sehr früh damit auch beschäftigt habe. Ich wollte immer arbeiten. Ich wollte ab 16 einen Job haben, der mich unabhängig macht. Das war mir ganz wichtig.

 

Natascha Heinsich

Hedi, das Stichwort Verantwortung war schon mal super, weil das bringt mich zu meinem nächsten Thema. Der Umgang mit Druck ist ja auch so was ganz Spannendes, wenn man so viel erreicht hat und auch schon so jung so weit gekommen ist. Was ist denn zum Beispiel ein Tipp? Wie gehe ich damit um, wenn ich immer mindestens gleich gut sein möchte oder muss gefühlt oder zumindest nicht schlechter werden darf? Wie kann ich damit umgehen?

 

Nora Gomringer:

Also ich glaube, da gibt es auch Phasen, in denen es einem gut gelingt und mal nicht gut gelingt. Wichtig ist der eigene gute Kontakt zu sich selbst und auch ein sich immer wieder vergeben und nicht so furchtbar schlecht mit sich selbst und böse mit sich selbst reden. Das klingt so einfach, aber es ist so schwer, dass man sich eben nicht auch runtermacht, noch wenn man das Gefühl hat, der hat natürlich jetzt recht. Der spricht jetzt schlecht von mir, der ist jetzt aufgebracht, dann habe ich irgendwas getan. Ich weiß gar noch nicht genau, was ich getan habe. Sicher hat der recht, weil ich ja immer, wer weiß, was denke und mache und falsch mache und so. Das ist schlecht. Also besser ist dann, wirklich zu denken, der regt sich auf. Okay, ist erst mal sein Problem. Was habe ich denn gemacht nach dessen Aussage? Gut, man muss sich nicht jeden Schuh anziehen. Das kann dann auch einfach so ein Gedankenschritt sein. Trotzdem bleiben da diese Dinger auch in einem hängen. Also da ist man dann mehr Sieb als sonst was. Und einiges, was man ja auch hört über sich selbst in der Zeit, verändert einen, weil man dann merkt, okay, ich scheine immer wieder bei Leuten eine Reaktion hervorzurufen.

Das will ich eigentlich nicht in so eine bestimmte Richtung. Was weiß ich? Die denken, ich sei furchtbar arrogant, oder die denken, ich bin inkompetent, das will ich auch alles nicht, also muss ich offensichtlich an mir da arbeiten. Das sind alles Realisationsschritte, die aber wirklich darin fundiert sein sollten, dass man daran arbeitet, ein gutes Verhältnis zu sich selbst halbwegs aufrechtzuerhalten. Am Ende des Tages ist man nur mit sich alleine und muss mit sich ausmachen, dass man das irgendwie jetzt verbockt hat oder eben etwas einem gelungen ist, wo man auch stolz drauf sein kann. Und auch auf diesen ganzen Applaus, den man da manchmal eben bekommt, schön, aber gleich auf den Applaus kommt auch irgendeine Sache, die einen wieder total einstellt und man steht wieder player One, ready, player one, ready player one, so gleich am Anfang. Also es ist mir alles schon passiert und geht auch eigentlich so weiter. Und interessant ist, dass man als junger Mensch immer denkt, es geht so, so, so, so, so sukzessive nach oben. Es wird immer besser. Die Menschen hören auf zu menscheln. Irgendwann ist man krass professionalisiert und dann wird das alles super straight und toll, toll, toll. Stimmt nicht.

Je weiter höher man kommt, desto mehr merkt man, die Dinge haben sich eigentlich nur verhärtet. Man muss dann noch viel kunstvoller und viel gezielter manchmal Knoten ausmassieren aus den Menschen und aus den Zuständen. Und da braucht man viel Kraft für und man muss auch Zeit darauf verwenden. Und ja, da muss man auch erkennen, wer man selbst ist, ob man so ein Vogel Strauß ist und oft sich einfach wegduckt und denkt: „Das wird sich schon irgendwie erledigen“. Oder ob man jemand ist, der sagt: „Okay, macht mir nichts. Ich tue so, als hätte ich keine Gefühle. Give it to me.“ Und so eine Mischung muss man wahrscheinlich sein. Als ich angefangen habe mit der Stelle, hier weiß ich noch, dass ich mir ein halbes Jahr richtig dezidiert West Wing angeguckt habe und Captain Picard, fast alle Reden von Captain Picard in Raumschiff Enterprise, weil ich gemerkt habe, der spricht ganz klar. Er benutzt fast nur Parataxen. Ganz einfache Satzelemente, kein so Ausholen, wie ich jetzt hier herumtrudele mit der Sprache, sondern ganz einfach. Klar, Befehlston quasi. Und ich wollte ja nicht hier irgendwie ankommen und den Leuten irgendwas befehlen, aber ich habe mir schon gedacht, wahrscheinlich ist führen, auch die Sprache auf ein gutes Maß reduzieren und eben nicht, wie in so einem Interview, auf so eine Frage, die ja auch die Vergangenheit hervorlockt, in den Gedanken ausholend sprechen. Und das stimmt, führen heißt auch, die Menschen nicht mit der eigenen Persönlichkeit und damit auch mit der eigenen Sprache und Sprachfähigkeit vielleicht überfahren und einzunehmen versuchen. Das habe ich herausgefunden für mich.

 

Natascha Heinisch:

Ja, der Picard ist auch weniger einer, der mingelt mit seinen anderen.

 

Nora Gomringer:

Habe ich auch schon wahrgenommen. Als ich hier auch herkam, wurde mir auch klar signalisiert: Wir sind kein Team. Wir sind eine hierarchische Büroleitung und bitte, ja, seien Sie unsere Chefin. Da habe ich gedacht: Okay, was bedeutet das denn? Ich hatte ganz wenig Plan und Vorstellung davon. Da habe ich gedacht: Ich komme hier hin. Und dadurch, dass ich morgens … Ich bin ein netter Mensch, ich kann morgens auch schon lächeln und bin gut drauf und so. Das würde einiges wettmachen und das macht es auch bei zwei, drei Leuten gut, aber nicht bei allen. Und ich habe ein ganz winziges Team. Das ist hier wie Jean-Paul Sartre geschlossene Gesellschaft, nur weniger mit Hölle, sondern wirklich mit dezidierter Arbeit für die Kunst. Und die wollten gerne, dass sie sehen können bei mir, wie ist meine Einstellung dazu, Kann ich delegieren, gebe ich Vertrauen ab und damit auch Verantwortung. Und als Chef muss man auch wissen, wo man im Weg steht. Und dann muss man die Leute, wenn die wissen, was sie machen, in Ruhe lassen. Man muss sie arbeiten lassen und dann eben auch zurückgeben: Das hat mir gut gefallen. Das haben sie prima gemacht. Da bin ich echt… klasse, also da hätte ich gar nicht daran gedacht, dass man das und so und so machen könnte oder so. Das gibt es auch oft. Also ich gebe auch meine Verblüffung und meine totale Dankbarkeit da oft preis und sage, wie ich mich freue, dass wir zusammengeholfen haben, ein Problem zu lösen. Und dann gibt es aber auch die Situation, wo ich weiß, es muss so und so laufen und ich wünsche mir, das ist das Ziel. Ich kann mir vorstellen, dass Sie an der Stelle, wenn Sie das so verfolgen würden, den besten Erfolg erzielen und Sie, Sie, Mitarbeiter X, können so ansetzen, weil ich weiß, so arbeiten Sie gerne und ich bin sicher, wir treffen uns genau da am Zielpunkt. Es hat für mich so dann oft sehr richtig funktioniert.

 

Natascha Heinisch:

Das sind jetzt auch schon zwölf Jahre, oder?

 

Nora Gomringer:

Ja, zwölf, genau zwölf. Das ist schon krass, weil es hat mich auch verformt. Also ich war früher sicher ein anderer Mensch in einer gewissen Hinsicht, war eben da auch unbeleckt. Also was weiß man davon, wie man Menschen ein bisschen anleitet und führt? Vor allem, wenn man so jung ist, ich war die jüngste Person in meinem Betrieb und das ist schon schräg auch. Die waren alle sehr mutig mit mir und ich bin auf ein Team hier gestoßen, das Lust hatte, mit mir zu arbeiten, sich auch eine Art Veränderung in den Abläufen ein bisschen gewünscht hat und manches konnte ich davon erfüllen und anderes bleibe ich schuldig bis heute.

 

Natascha Heinisch:

In der Rückschau, jetzt kommen wir ein bisschen zum Thema Equal Pay. Können Sie aus Ihrer Arbeitserfahrung als Künstlerin oder auch in der Leitungsposition, sind Sie auf Fälle gestoßen, wo Sie gemerkt haben, Mensch, da ist es für die Männer anders als für die Frauen, wo man merkt, da ist es finanziell vielleicht für die Männer leichter oder vom Sich-Durchsetzen-Können, leichter? Irgendwas, was Ihnen selber passiert ist oder jemand, den Sie kennen?

 

Nora Gomringer:

Also beim Verhandeln ist es sicher oft eine ganz komische Zurückhaltung bei Frauen und überhaupt auch bei dem als-Künstler-sich-einschätzen und so eine eigene Preis-und Preiskoordinatensystem für sich bilden. Wie viel darf ich verlangen? Wie viel sollte ich verlangen? Um auch quasi mit der Arbeit wirklich was zu verdienen und dann was davon zu haben. Das dauert und ist schwierig und ist bei Frauen weit noch in ihre Karrieren hinein korrumpiert. In meiner Lebenszeit, jetzt, sind ja viele, die ich total verehre, schon auch 20 Jahre älter. Manche dieser Künstlerinnen treffe ich und die sagen mir, ihre Altersvorsorge ist mies und das sieht dunkel aus. Und dann frage ich mich mit ihnen, wie das sein kann. Und mir als Künstlerin macht das als Prospektive total Angst, weil Altersarmut ist etwas, was wie ein Damoklesschwert über allen Künstlern und dann noch mal dezidiert über allen weiblichen Künstlerinnen noch mehr hängt, weil die einfach oft die Kinderlücke haben, befüllt mit dem Schönsten und vielleicht Wichtigsten, was die Gesellschaft eben auch brauchen kann, mit den Kindern. Aber irgendwie ergibt es dann ein Loch quasi in der Karriere und setzt sich da nichts anderes rein, was irgendwie auffängt und hebt, was die Rente später angeht.

Und von daher gibt es da viele Gespräche und viele sagen, sie haben sich nicht… Sie haben sich da immer die Butter vom Brot nehmen lassen. Ein männlicher Kollege kam, hat irgendwie ganz dezidiert gesagt: „Das will ich, das brauche ich, das mache ich.“ Und sie konnten das irgendwie nicht. Sie haben sich nicht gut einschätzen gelernt und vor allem nicht gut mitteilen gelernt. Und ich weiß nicht, ob ich da schon alle Register jemals gezogen hätte. Ich hatte in meinem Leben vier Vorstellungsgespräche. Die Jobs habe ich alle bekommen, aber ich muss dazu sagen, drei Jobs waren Aushilfen und nachts Regale auffüllen und der eine Job war dann fürs Ministerium das Künstlerhaus leiten. Ich mache hier so dieses from rags to riches, aber so war es ja nicht. Es war halt wirklich eine ganz andere Art von Arbeit dann, nachdem ich in New York schon wohnte und dachte, ich bleibe jetzt in New York, habe ich halt diese Stellenausschreibung gesehen und meine Mutter hat gesagt: „Willst du nicht vielleicht?“. Sie merken schon, viel hat wirklich mit meiner Mutter zu tun und das darf ich als Künstlerin vielleicht sagen. Als Direktorin rollen sie dann immer so mit den Augen ja, aber als Künstlerin muss ich sagen, das war für mich die wichtigste pushende Person und jeder Künstler hat so jemand oder braucht so jemand, der einfach absolut fürspricht. Meine Anwältin, sozusagen. Für meine Arbeit, für mich als Person war meine Mutter meine Anwältin. Jetzt muss ich erst lernen in der Welt, ohne meine Mutter zu sein und meine eigene Anwältin. Aber ich habe sie ganz oft als regulierende Stimme bei mir im Ohr und sie sagt ganz oft: Nicht zu leise, Nora. Nicht zu leise und nicht zu unsichtbar, aber auch nicht … Du musst jetzt nicht bei allem mitmischen und du kannst euch auch mal zurücknehmen. Also manche Dinge sind wirklich so in diesem Regulieren mit einer Geisterstimme auf der Schulter. Wer aber die Geisterstimme nicht hat und wem so ein bisschen der Blick da auf das fehlt, wie man da ein Bein reinkriegen kann und vielleicht für sich selbst am besten sorgt, das hat viel mit den eigenen Ansprüchen zu tun. Wobei, man muss arbeiten wollen. Wenn man nicht arbeiten will, eine bestimmte Phase im Leben, und ich muss echt sagen, 10, 15 Jahre mindestens und da wirklich, also leider in unserem System, volle Leistung bringen, sonst hast du nichts zum Schluss. Also das wird sich leider wohl auch nicht die nächsten 20 Lebensjahre und die nächste Generation auch so richtig verändern. Aber 15, 20 Jahre müssen in diese Rentenkasse hinein oder in irgendeine Anlageform, auf das sich etwas anlegt, mit dem man dann halt noch nach der 65 oder wer weiß, 67 noch leben und arbeiten kann.

Und da musst du nach den besten Möglichkeiten für dich gehen. Mein Job hier, der würde wahrscheinlich in der Schweiz oder in den USA viel höher vergütet. Aber ich bin ja im öffentlichen Dienst hier und das hat natürlich seine Vorteile. Und da bin ich schon im Nachhinein sehr, sehr happy, da reingerutscht zu sein. Absolut. Also ich habe mich halt ganz regulär beworben. Ich frage mich dann auch, habe ich irgendwie jemandem …? – das ist schlimm – habe ich jemandem die Stelle weggenommen? Und solche Sachen haben mich auch gefragt: Bin ich da… weil ich ja auch am Anfang so Schwierigkeiten hatte, mich da einzufügen und einzufinden. Bin ich denn die Richtige, und so. Man muss sich sagen, ja, es hat schon auch einen Grund, weshalb man an eine bestimmte Position gekommen ist. Das erst mal zur Beruhigung. Man ist nicht über der Imposter und der, der alles nur faked und so. Aber man muss ganz schön am Ball bleiben, damit man sich auch nicht selbstständig unterfordert, überfordert oder überholt. Man muss immer abgleichen: „Bin ich denn noch im Jetzt? Bin ich überhaupt interessiert daran, was die anderen da machen? An meiner Kernaufgabe, an den Künstlern, bin ich noch interessiert?

Und solange das ist, kann ich sagen, ich bin dabei. Und Männer machen auch in der Kunst das alles viel lässiger und werden… Rein natürlich ist es offensichtlich so, dass es Frauen gibt, die wahnsinnig gerne auch dem unbeholfensten Künstler quasi das Leben schön machen. Also das können super Künstler sein, aber ganz miserable Haushälter oder können echt nichts mit den Kindern und können so gar nichts so im Privaten aber sind halt tolle Künstler und die Frauen verehren die und sagen: Das reicht mir, ich bin einfach stolz und bin gerne dessen Frau und dessen Begleiterin; das macht mir das Leben schön und ich bin stolz, mit diesem Mann zusammen zu sein. Also ziehen wahnsinnig viel Selbstgefühl daraus, mit diesem Wesen zusammen zu sein. Und sorry, so läuft ganz viel von der Ernährung von Künstlern ab. Die Frauen sind patent und helfen bei vielen Dingen aus und sehr viele Künstler machen halt ihr Ding und sind, ja sind fantastische Schöpfer. Aber die, die eben quasi… ja, ernähren, den Garten hegen und pflegen und dem Künstler dann eben auch was anderes noch als Background geben, das sind dann oft die Frauen. Das gibt es manchmal auch umgekehrt, habe ich auch erlebt in den zwölf Jahren. Es ist hoch selten. Die meisten Frauen sind eher wirklich unglücklich nach einer gewissen Zeit, weil sie sagen, ich habe mich irgendwie falsch entschieden, offensichtlich. Ich bin noch nicht berühmt geworden. Die Kinder sind… ich habe keine Kinder bekommen. Ich hätte welche kriegen wollen sollen und so weiter. Ich habe mich bewusst gegen Kinder entschieden. Ich wollte auch nie welche haben. Ich war nie von der biologischen Frage irgendwie so gekitzelt. Halleluja. Sonst hätte ich nicht…

 

Natascha Heinisch

Ich wollte gerade sagen, das kann sehr befreiend sein, wenn man es sicher weiß, weil ansonsten ist es, selbst für die, die es sicher wissen, habe ich so das Gefühl, ab 35 spätestens hinterfragt man: Aber bin ich mir wirklich sicher? Weil alle anderen sagen, du wirst es bereuen, ganz sicher, irgendwann. Ich so: Ich glaube aber eigentlich nicht, aber man kommt dann in dieses … selbst wenn man es weiß, denkt man, vielleicht wusste ich es ja eigentlich doch nicht?

 

 

Nora Gomringer

Und so bleibt es auch. Also es ist ja so ein riesen Fragezeichen. Zum Beispiel habe ich jetzt einen sehr netten Partner und ich denke mir so, warum der nicht von sich Kinder sehen will? Ich denke mir immer: „Der ist so hübsch und der ist so ein schöner Mann und so ein netter Mensch und der wäre ein toller Vater. Und dann fangen trotzdem so biologische Blödsinnigkeiten bei mir an. Und dann frage ich den und sagt der: Nein, nein, nein, kannst du gleich stecken lassen. Ich will keine Kinder. Dann hat sich es wirklich erledigt und wir bleiben dabei.

 

Natascha Heinisch:

Zum Imposter wollte ich sagen, ich habe auch einen kleinen, diese Crew-Mitglieder. Ich habe einen bei mir auf dem Schreibtisch, mich daran zu erinnern, dass ich nicht der Imposter bin und wenn irgendwas gut geklappt hat, dann ist das, weil es irgendwie schon so seine Daseinsberechtigung hatte.

 

Nora Gomringer:

Ja, sehr gut. Mit dem Equal Pay, das ist ja so, wir gehen ja von Equality auf derselben Stufe aus. Sprich, es kann ja in meinem Betrieb nicht jeder das Gleiche verdienen, denn die tragen nicht alle die gleiche Verantwortung. Wer aber auf demselben Level von Verantwortung ist, soll, also egal ob Mann oder Frau, dasselbe verdienen. Bei mir zum Beispiel im Vertrag ist, dass ich zu meiner Arbeitstätigkeit eben auch noch wirklich als Künstlerin aktiv sein darf. Das erlaubt man in der Freistaat Bayern und ist da auch großzügig. Also schätzt es auch, dass eine berühmte Künstlerin für ihn arbeitet und eben auch die Arbeit priorisiert wird. Also die Arbeit im Künstlerhaus ist höherrangig, aber es gibt natürlich, wenn ich verreise und wenn ich dann aufbreche zu einem Auftritt oder zu einer Lesereise, dann hat das in dem Moment Priorität.

 

Natascha Heinisch:

Was kann die Politik tun für Equal Pay? Was kann jeder Einzelne tun?

 

Nora Gomringer:

Also im öffentlichen Dienst ist es schon so, dass es mir eigentlich sehr gerecht vorkommt. Es gibt schon ein paar Verträge, merke ich so, die so in den 70ern noch geschlossen wurden. An der Uni war es ja lange so, dass es so alte W, waren es W oder C oder so komische Verträge, sorry, ich weiß schon gar nicht die Nomenklatur und das ganze Drama. Aber ich weiß, dass da mancher wirklich quasi bis ins methusalemische Alter und gar nicht mehr Lehrend und gar nicht mehr diese ganzen Studierendenbetreuungen machend und so, noch sehr fürstlich bezahlt wurde. Und die ganzen, die neuangestellt wurden, da war ganz klar, so was gibt es nicht mehr, das kann er vergessen. Und da ist es ja kein Wunder, das kriege ich jetzt mit – ich bin so ein paar Ausschüssen mit drin – dass die Professoren oder eben die Leute, die sich bewerben, klar, da das Beste versuchen für sich und auch die Familie rauszuholen. Wenn sie dann einen Partner haben, der auch im Mittelbau zum Beispiel untergebracht werden könnte beruflich, dann wird gebeten, dass der da irgendwie mit rein kann. Sonst würde man von der Stelle absehen und sich eben nicht weiter da bemühen.

Da sagen die ganzen Altgedienten an den Unis: „Das kann doch nicht sein. Wieso ist denn, wo ist die Arbeitsmoral? Wo ist denn das alles hin? An den Uniklinik sind sie jetzt auch so, die Ärzte sagen: „Nein, also Work-Life-Balance und so, das hat absolute Priorität.“ Ich habe keine Lösung dafür. Also ich beobachte das und finde, je älter ich werde und mit je mehr auch Verantwortungsfeldern ich so umgehe, dass es wichtig ist, dass wir in einer Gesellschaft sind, die nicht korrupt ist. Also der Korruption muss wirklich entgegengearbeitet sein. Ja, wir sind hier genau auf einem anderen Hut. Hier muss ich vorsichtig sein, wenn ich dreimal denselben Grafiker bestelle, obwohl ich dessen Arbeit schätze vor vielen anderen und sage, der ist super, mit dem können wir klasse arbeiten und die Absprache ist einfach. Aber muss man halt auch genau begründen, warum mit dem und warum immer wieder. Antikorruptionsgesetz zum Beispiel.

 

Natascha Heinisch:

Ja, da hat der öffentliche Dienst auf jeden Fall sein Für und Wider das mit dem … Also an der Uni war ich auch, oder ich bin immer noch an der Uni, aber auch das mit dem „Du hast Glück, du hast noch so einen alten Vertrag, da ist eine Stelle so eingruppiert und heutzutage wären das zwei Entgeltgruppen oder drei niedriger“, weil man dann die Ausschreibung schon so macht, dass man sie nicht höher eingruppieren kann, obwohl man weiß, dass derjenige dann was machen wird, was eigentlich …

 

Nora Gomringer:

Und das ist nicht richtig. Das ist echt nicht gut. Also es ist ein System, vor allem in der Kunst, das muss man auch warnend sagen, das natürlich auf Selbstausbeutung-Basis liegt. Ich wüsste kaum einen Beruf, bei dem es erst mal vor allem nicht so ist, aber dass dann Leute das so willentlich, wissentlich mitteilen und mitgeben und sagen: „Ja, am Anfang ist es zwischen diesem „Lehrjahre – das sind keine Herrenjahre“ bis hin zu „Früher, da hätten wir doch nicht vor so und so vielen Stunden überhaupt mal den Chef gefragt, ob wir einen Tag Urlaub nehmen“ und so ein Quatsch, also so ein Zeug. Ich habe da überhaupt keine Lösung für, außer, dass ich versuche, in meinem Rahmen hier eigentlich ein sehr menschenfreundliches System weiterzutragen, dass es nämlich sein kann. Ich glaube, die Grundanlage, also hier jetzt auch öffentlicher Dienst, ist wirklich darauf achtend, dass die Leute auch nicht sich total bis an den Herzkasper, arbeiten. De facto aber merke ich, es gibt zu wenig Stellen. Also es sind einfach zu wenig Leute auch an diesen absoluten wichtigen Funktionsstellen, Personalverwaltung und so. Das ist eine riesen Verwaltung, aber es sind auf zu wenigen Schultern. Die Leute machen krass viel Arbeit.

 

Natascha Heinisch:

Sichtbarmachung weiblicher Kunst haben wir auch noch als Themenblock, da die Frage an Sie: Wie viel weibliche Kunst konsumieren Sie denn, oder konsumieren Sie das bewusst? Und auch, weil wir so ein bisschen gucken wollen, wen kennt man vielleicht noch nicht, wen empfehlen Sie? Welche Musik sollte man hören, Filme sehen von Regisseurinnen mit großen Schauspielerinnen?

 

Nora Gomringer

Also ich kann sagen, dass ich Schriftstellerin geworden bin, weil ich 1993 als 13-jähriges Mädchen im Fernsehprogramm abends den Film gesehen habe „Ein Engel an meiner Tafel“. Das ist die Lebensgeschichtsverfilmung von Janet Frame, einer der großen neuseeländischen Dichterin. Und der Film ist gemacht worden von der Jane Campion, bei der dann ja „Das Piano“ so groß wurde. Und ich habe diesen Film gesehen und Janet Frame, um die es da geht, wird gespielt von der wunderbaren Kerry Fox, einer auch wieder, also Frauen, die Frauen drehen, die Lebensgeschichte von Frauen erzählen. Also ich bin sehr früh von einer sehr basisfeministischen Mutter so dahin geschickt worden, mir Dinge anzugucken und mit Frauenlupe durchzugucken. Und da weiß ich, dass ich den Film gesehen habe und dachte: ach so, man kann als Schriftstellerin leben! Wie macht man das denn? Was fängt man da an? Man versucht quasi auch, Preise zu gewinnen und man nimmt bei Wettbewerb teil. Also irgendwie erschlossen sich mir dieses Berufsfeld zum ersten Mal durch das Angucken dieses Filmes und ich fand den Film super. Er ist auch heute noch grandios, schön und gut und sehr traurig und bewegend. Was für ein Leben. Ein toller Film. Ein Engel an meiner Tafel.

Und auch das Buch ist großartig. Janet Frame, ich glaube, Surkamp in Deutschland. Aber lege ich nicht die Hand ins Feuer für. Ja, ich konsumiere wahrscheinlich, außer in der Musik, Musik, fast mehr Frauen, auch Literatur eben. Also ich bin so ein Fan der Generation 1980 heißen die in den USA. Also ich mag die Anne Sexton und ich mochte auch Sylvia Plath so ein bisschen, aber Anne Sexton fand ich immer besser. Joyce Carol Oates als Autorinnen. In der Musik, ey irgendwie, ich bin ohne Musik aufgewachsen, immer nur so punktuell und wollte ja auch zum Musical, das war eigentlich mein Weg, den ich gerne machen wollte. Also gab es auch mal Medizin gab es auch als Idee und dann Archivarin und Nonne war auch dabei und dann dachte ich so: Nein.

 

Natascha Heinisch:

Nonne hatte ich auch mal, ja.

 

Nora Gomringer:

Voilà. Also das fand ich schon deshalb gut, weil man irgendwie auch im Alter abgesichert schien. So Zeug dachte ich. Also denke ich auch immer manchmal noch und so. Aber harte Arbeit, sehr harte Arbeit. Und jetzt auch gegen alle Widerstände und so weiter. In der Musik habe ich es gar nicht so. Da bin ich ganz klassisch. Ich mag Hildegard Knef Platten und ich mag so jetzt so den weiblichen Hip-Hop. Ich habe immer Fiva gerne gehört und Mieze Medusa und so. Aber das sind jetzt auch Ladies, die halt so alt sind wie ich. Also das ist halt so, auch der Hip wird halt middle-aged irgendwie. Das ist schräg. Aber wenn man guckt, also auch in meinem Büro, muss ich sagen, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sechs Arbeiten von Frauen, ja, aber mehr Frauen, die porträtiert werden. Das ist auch interessant. Also Kunst von Frauen gibt es weniger als Kunst über Frauen, sozusagen. Also die Frau immer noch auch als Objekt, als dargestelltes Wesen und so. Das konsumiere ich total gerne, weil ich mir Frauen auch einfach als Wesen und Körper finde ich interessant und gut, viele Möglichkeiten uns anzugucken. Wir können sehr hässlich und immer noch wahnsinnig spannend sein.

Bei Männern Ich habe das Gefühl, nein, es ist dann nur so eine Aggressivität oder eben so dieser völlig verklärte, schönen Körper oder schöner Mensch oder so. Und wir haben mehr Nuancen, fand ich immer bisher, aber ich werde auch immer wieder andere Inhalte belehrt, denn meine Arbeit besteht ja auch ganz viel im Konsumieren. Also ich kriege Künstlerinnen und Künstler zu Gast, sehe mir an, was sie machen. Vieles ist zum Glück auch mal völlig völlig befreit davon, ob es männlich oder weiblich ist. Und das gibt es, es gibt Kunst, die völlig befreit ist von Sex. Da geht es dann Druckverfahren, Drucktechniken. Da kommt dann eher die Überlegung, wieso denn eine sehr zierliche kleine weibliche Person sich eine Arbeit aussucht, bei der sie immer Männerhilfe braucht. Das gibt es dann auch. Abhängigkeiten, die geschaffen werden, die aber dann auch fast elegant anmuten. Man steht dann so da und sagt, ja, ich mache den letzten Schliff, aber vorher müssen alle alles orchestrieren und machen und so. Und ich schwinge nur den Taktstock, so irgendwie. Ja, mich interessiert eher, und das frage ich mich seit vielen Jahren, ob Kunst die Frauenschaft eine andere Dimension hat als die, die Männer haben.

Denken Frauen weniger expansiv? Schaffen Frauen in der Gesamtheit weniger große, weniger schwere, weniger materialintensive Arbeiten als Männer? Also viele Männer beginnen mit Steinen, mit riesigen Holzarbeiten, holen die Motorsäge raus und sind irgendwie in der Sache drin. Frauen machen das zum Teil erst viel später mit sich aus im Leben und dann beginnen sie zaghaft erst mal und manche auch in Pointilismus. Also ganz winzige Dinge, die sie sticken, nähen, häkeln und dann aber auch zu unglaublicher Meisterschaft bringen. Also ich frage mich immer, ob es eine dimensionale Sache ist.

Die mit Körperlichkeit oder Einfach Kraft, vielleicht auch zu tun. Ja.

Also für mich wäre es immer völlig uninteressant, Kunst zu schaffen, die ich wirklich, wo ich immer Hilfe bräuchte, sie zu transportieren, einzuwickeln, wegzutragen, im Archiv, im Atelier irgendwo hinzustellen oder so. Mich würde das super nerven. Also wenn ich immer Hilfe bräuchte und es nicht alleine schaffen und stemmen könnte. Es gibt aber Künstlerinnen, die finden das gut. Die finden genau das super. Wie gesagt, andere das dann machen und schleppen und tun. Aber alles, was ich an bildender Kunst so für mich mache, muss immer in so einer Dimension sein, die ich noch beherrsche. Mich interessiert alles nur, was ich selbst schaffen, tragen und noch verschieben kann und auch von der Planung her noch selbst in der Logistik abarbeiten kann. Aber ich kenne auch die, die sagen, nein, nein, das interessiert mich nicht, ich will den letzten Schliff setzen und alle anderen sollen vorher alles für mich bereiten, schieben, quetschen, rankarren. Das muss schwer sein und bedeutend und nur Material sagt eben auch Bedeutung aus. Das gibt es. Das ist eine sehr männliche Attitüde. Das haben manche Künstlerinnen. Ich finde es immer spannend, denn die Objekte, die dabei entstehen oder die Arbeiten, sind natürlich vom Grundgeist sehr anders.

Und auch da kann ich immer schlecht denken: „Das ist so weiblich, das ist so männlich, aber keiner würde bei Louise Bourgeois denken: ah ja, männliche Kunst. Komisch leider. Zum Glück sagen sie jetzt einfach nicht alle nur noch „weibliche Kunst“, sondern sie sagen „gute Kunst“.

 
Natascha Heinisch:

Bei Slammern und bei Slammerinnen gibt es da – also aus der Slam-Szene kenne ich Sie auch von damals und es hat sich auch viel verändert in den letzten Jahren, aber – treten Slammerinnen heute noch anders auf als vielleicht vor zehn Jahren oder grundsätzlich?

 

Nora Gomringer:

Ich glaube, also so von dem, ich bin ewig nicht mehr in der Slam-Szene drin gewesen.

Ich tauche da immer noch auf, so als das mütterliche Fossil, das da mal so auf die Bühne geschoben wird und dann so aus den alten Zeiten erzählt und so. Aber da kann ich sagen, dass jetzt viel stärker ist die Weiblichkeit vertreten auf der Bühne. Weibliche Themen, also durchaus ausgewiesen feministisch weibliche Themen sind da: also die Periode, Kinder, haben Kinder, kriegen Kinder wollen, Partnerschaften, wie sie eben auch nur Frauen beschreiben, werden beschrieben. Aber eben auch die Sicht auf die Politik, die Frauen mitunter eben benachteiligt oder manchmal blind ist für sie, kommen vor. Und das ist einfach auch deswegen, weil der Slam viel diverser geworden ist seit so 10, 15 Jahren. Und das ist genau die Zeit, wo ich dann eben auch nicht mehr dabei war. Das hatte aber bei mir eben die … Das war die Folge davon, dass ich zwei Berufe wirklich fest übernommen habe. Direktorin sein und Menschen fördern, aber dann eben auch Künstlerin sein und Menschen fordern.

 

Natascha Heinisch:

Zu dem Fossil wollte ich noch was sagen. Ich kann mich nämlich noch sehr gut erinnern an eine wirklich schöne Moderation im E. T. Hoffmann Theater bei der „Nacht der Lebenden Toten“. In keinster Weise war das fossilienartig da, das war eine sehr schöne Durchführung durch das Programm damals.

 

Nora Gomringer:

Toll, danke.

 
Natascha Heinisch:

 

Dann würde ich sagen, machen wir jetzt unsere sogenannten Abschlussfragen.

Was bringt dich aktuell zum Fauchen? Und was bringt dich zum Schnurren beim Thema equal pay?

 

Nora Gomringer:

Also allein, dass wir es noch besprechen müssen, ist was zum Fauchen. Und zum Schnurren ist natürlich, dass es als Thema viel Kraft bekommen hat in den letzten sechs, sieben Jahren. Mir ist noch nicht immer ganz klar, wie die Dimension dabei ist. Ich bin echt auch dafür, dass Bezahlungsmodalitäten wirklich auch auf die Aufgaben speziell gedacht werden und auf das Maß an Verantwortung, das da einer Person übertragen wird. Und das Schwierige ist, dass es manchmal keine Anpassungen gibt. Dann magst du vielleicht in dem einen Jahr mag das gut so gewesen sein, aber so im öffentlichen Dienst ist das ja sehr begrenzt mit den Anpassungen. Und da merke ich, dass die Aufgaben immer größer und umfangreicher werden und alles Mögliche noch in so eine Stelle reingepackt wird und die Leute dann einfach ins Schwimmen geraten und mehr Geld kann helfen.

 

Natascha Heinisch:

Mehr Geld ist auf jeden Fall immer gut. Wenn wir heute so eine Zauberin der Wörter hier haben: also ein Wort, das wir im Projekt gar nicht mögen, ist das Wort „Powerfrau“ und was es alles mit Powerfrauen auf sich hat. Und ich nehme an, dass das Wort Powerfrau, dass Sie das sehr oft zu hören bekommen, so was wie oder Tausendsassa oder Wunderkind. Und wir suchen nach einem schönen Wort für eine Frau mit Power, aber ohne dass man sie Powerfrau nennen muss, weil man sagt ja auch nicht Power-Mann, wenn ein Mann Power hat.

 

Nora Gomringer:

Ja. Na ja, mir bekommt sofort Sheera.

 

Natascha Heinisch:

Was für die Kinder der 80er. Ich mochte sie auch sehr gerne, durfte sie nur bei meiner Oma gucken, weil meine Mutter keine Schwerter oder wo irgendwie Waffen vorkamen. Deswegen musste ich das immer heimlich bei meiner Oma angucken.

 

Nora Gomringer:

Süß. Süß, die Oma hat für die Militarisierung der Enkelkindes gesorgt: Jaaa, Sheera!! Oh Mann, was wäre denn so ein guter Name? Also ich weiß nicht. Ich wollte immer eine gut aufgestellte Frau sein. Das klingt so komisch, aber ich glaube, es kommt aus Kinderbüchern in der Schweiz. Und gut aufgestellt heißt, sowohl jemand, der mental stark und in der Welt ist und sich nicht so fürchtet, als auch jemand, der natürlich gut aufgestellt, also so von ihren eigenen Mitteln und im Wissen ihrer eigenen Potenz, Ein bisschen eine Frau, die so funktionieren kann. Aber das klingt natürlich gar nicht so saftig wie Powerfrau und so, aber ich fand, das war immer mein Ziel. Ich wollte eine gut aufgestellte Frau sein, die sich die Fragen stellt: Ist es relevant und ist es elegant? Das sind die beiden Dinge, die in der Arbeit, die ich mache, also auch in ästhetischen Überlegungen mit den Künstlern, auch mal quasi für sie. So entscheide ich viele Dinge, ist mir einfach aufgefallen. Ist es relevant? Ist es elegant?

 

Natascha Heinisch:

Ein sehr schönes Abschlusswort. Dann richte ich mich noch mal raus an unsere Zuhörer:innen. Ihr könnt uns sehr gerne folgen unter dem Hashtag #epd auf den sozialen Medien. Und dann sage ich mal bis zum nächsten Mal. Vielen Dank, Nora Gomringer. Ich habe mich wirklich sehr, sehr, sehr gefreut, eine Bamenbergerin sozusagen im Podcast oder eine Oberfränkin oder eine Weltbürgerin im Podcast zu haben, eine Europäerin im Podcast zu haben. Vielen, vielen Dank.

 

Nora Gomringer:

Danke.

 

Natascha Heinisch:

Und bis zum nächsten Mal. Tschüss.

 

Nora Gomringer:

Ciao.

 

 

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