Podcats – der Podcast zu equal pay Folge 22 – Timm Kroeger – Transkript

Wir wollen in unserem Podcast darüber sprechen, was passieren muss, damit in Deutschland Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Arbeit endlich auch gleich bezahlt werden.
Wie stellen wir die Weichen auf gerechte Bezahlung in der Arbeitswelt von morgen? Wie schaffen kürzere Arbeitstage gleiche Karrierechancen für Frauen und Männern? Was erfahren wir aus den Drehbüchern für Filme und Serien über unsere Vorstellungen von der Arbeit? Und wie wird IT inklusiv? Das alles wollen und noch viel mehr wir mit diesem Podcast herausfinden.
Wir freuen uns, wenn Ihr Mal reinhört! Garantiert ohne Kater danach!

Alle Folgen hier.

Natascha Heinisch:

Diese Woche war ich bei einer Freundin im Sauerland, habe hier Home Office gemacht, draußen hat es geschneit und wir haben es uns gemütlich gemacht mit viel Soulfood. Unter anderem habe ich ein Gericht kennenlernen dürfen, das sich „Stielmus“ nennt. Stielmus oder auch Rübstiel genannt, ist mit dem Kohl verwandt und ist vor allem im Rheinland und Westfalen sehr geschätzt und ansonsten eher weniger bekannt – ich kannte es beispielsweise gar nicht.

Für meine Freundin war es eine alte Kindheitserinnerung von ihrer Oma und für mich ein kulinarisches Neuerlebnis. Ist wohl auch leicht antibakteriell, gut für den Blutdruck und magenschonend, probiert es unbedingt mal aus, wenn ihr das noch nicht kennt! Wir werden heute natürlich nicht über Rezepte reden, ABER es wird auch um ein ganz besonders Gericht aus der lateinamerikanischen Küche
gehen, das sozusagen einen feministischen Beigeschmack hat, seid gespannt!
Heute spreche ich mit Timm Kröger und wir fangen direkt an: Hallo Timm, schön, dass du da bist!

Timm Kroeger:

Hallo, vielen Dank, dass ich da sein darf. 

Natascha Heinisch:

Wir freuen uns immer ganz besonders, wenn wir einen Mann bei uns im Studio haben dürfen. Das passiert nämlich leider gar nicht so oft. Erzähl doch einfach mal zunächst, wer du bist und was du so machst.

Timm Kroeger:

Genau, ich bin Timm. Was bin ich noch? Ich bin Vater von einem vierjährigen Kind. Aktiver Vater, sage ich immer so gerne, auch mit viel Zeit mit dem Kind verbringen – voll in der Erziehung mit drin, in der Lebensbegleitung, oder wie auch immer man das nennen möchte. Ich bin hauptberuflich in Teilzeit jetzt Diversity-Manager seit diesem Jahr und mache aber auch nebenberuflich immer noch, was ich vorher auch schon gemacht habe, nämlich Prävention von Gewalt gegen Frauen, einmal mit Kindern an Schulen zum Beispiel, aber auch mit erwachsenen Menschen, jeglichem Geschlechts. Ich bin auch mal Referent für Gleichstellung und ähnliche Themen, also mache alles Mögliche und versuche, meinen Beitrag zu leisten, dass wir mit der Gleichstellung zumindest weiterkommen und mit der Gewaltprävention auch.

Natascha Heinisch:

Ja, da waren schon ganz, ganz viele Sachen dabei. Zunächst mal zur Teilzeitarbeit und zum Vater sein, würde ich gern wissen, war das für dich von vornherein klar, dass du das in Teilzeit machen willst? Und auch so ein bisschen, wie hat deine Umgebung darauf reagiert? Man hat ja oft ja mal so das Vorurteil, wenn der Vater dann in Teilzeit geht, dann sagen alle: „Hä, warum machst du denn so was?“, Wie war das denn bei dir? War das so? Oder überhaupt, wie war die Genese dieser Entscheidung?

Timm Kroeger:

Also es war für mich von Anfang an klar, dass ich so viel Zeit wie möglich für mein Kind da sein möchte, mit meinem Kind Zeit verbringen möchte und natürlich auch meine Frau unterstützen möchte, vor allem in der Anfangszeit. Danach lässt es sich ja leichter aufteilen, weil ich ja nicht stillen kann, muss man so sagen, und wir stillen wollten. Und ich habe mir aber keine Gedanken gemacht, wie ich das hinkriege zeitlich. Und dann ergab sich das, dass ich gleichzeitig aber eine Stelle kriegen konnte oder ein Jobangebot hatte in Teilzeit in einem Thema, was mich beruflich stark interessiert hat und deswegen bin ich dann da hingegangen. Und dann habe ich gemerkt, Teilzeit ist ja was Tolles, weil ich tatsächlich diese Zeit habe. Also es hat sich sehr gut gefügt einfach fast passgenau mit der Geburt. Und von daher habe ich das dann gemacht und habe gemerkt, Teilzeit ist super, es gibt mir die Zeit mit meinem Kind. Das Geld muss man zwar ein bisschen rechnen, aber es reicht eigentlich schon. Und wenn man sich als Paar da gut organisiert – wir haben ja das das Glück, dass wir das als Paar machen können, also immer wieder Respekt vor Alleinerziehende! – dann schafft man das.

Natascha Heinisch:

Und wurde auch gut angenommen? Oder gab es überhaupt Reaktionen? Hat irgendwer darauf einen Kommentar abgegeben oder war halt so wie es ist?

Timm Kroeger:

Am Anfang hat kaum jemand einen Kommentar abgegeben. Irgendwann habe ich dann von meiner Mutter und auch meine Schwiegereltern oder Familie, sage ich mal, in dem Raum, fand das dann schon ein bisschen seltsam. Findet es teilweise auch immer noch seltsam, dass – das sind jetzt zum Beispiel meine Schwiegereltern – die sagen: „Wieso hat er das Kind aber so eine starke Bindung zum Vater? Das ist ja komisch seltsam“ und so. Solche Sachen passieren dann schon.

Natascha Heinisch:

Unerhört!

Timm Kroeger:

Genau, unerhört! Oder meine Mutter, die dann eben sagt: „Ja, aber was ist denn jetzt mit deiner Karriere?“ Ich sag: „welche Karriere? Darum ging es mir ja nie. Ich mache einfach das, was mir Spaß macht und darf damit Geld verdienen und habe auch das Glück, dass ich mit meinem Kind Zeit verbringen kann. Für mein Kind ist das zum Glück einfach völlig normal, dass Papo dann zwei, drei Mal die Woche nachmittags ihn von der Kita abholt und an den anderen Tagen das dann Mama macht.

Natascha Heinisch:

Wie gehst du damit um? Lässt du es an dir abperlen wie Wasser an einer Ente oder gehst du darauf noch ein oder sagst du was dazu oder lässt es einfach so sein?

Timm Kroeger:

Ja, mit meiner Mutter habe ich dann schon drüber gesprochen und habe ihr auch einfach erklärt, was mir wichtig ist im Leben und sie hat das dann eigentlich auch verstanden. Also von daher ist da alles gut. Wo ich zum Beispiel aber Unterschiede merke, ist so andere Menschen, dass man manchmal eine Überanerkennung kriegt als Mann, so „Oh toll, dass du dir Zeit nimmst!“, wo ich denke na ja, wieso kriegt meine Frau dieses „toll“ nicht? Ist doch völlig normal eigentlich. Und das zweite ist aber auch gleichzeitig die Schwierigkeit, zum Beispiel, als er dann zwei, drei Jahre alt war und man anfängt dann auch Spielverabredungen mit anderen Kindern zu treffen. Wenn ich dann die Mütter frage: Wann sollen wir nicht mal unsere Kinder, die verstehen sich doch gut, wollen wir uns nicht mal treffen? Dann kam immer so eine Stillschweigen oder „Oh, ich habe meinen Kalender nicht dabei“ oder keine Ahnung. Wenn ich das die Väter häufig frage, dann kommt so ein „Da muss ich arbeiten. Sollen wir das nicht lieber die Frauen ausmachen lassen?“

Natascha Heinisch:

Weil die Mütter Vorbehalt haben, weil sie dann quasi mit dir Zeit verbringen, weil es ungewöhnlich ist, nicht mit der anderen Mama zu quatschen, sondern dass der Papa da sitzt. Genau. Das ist spannend, okay, ja.

Timm Kroeger:

Genau. Und für die Väter halt einfach so „Oh, weiß nicht, eine Spielverabredung für mein Kind? Nein.“

Natascha Heinisch:

Du bezeichnest dich auch als Feminist. Darüber wollte ich auch noch reden. Und zwar auch da die Frage, jetzt haben wir es ja auch noch, wie reagieren die Frauen? Wie reagieren die Männer? Wie ist denn da so die Reaktion drauf, wenn du das sagst. Das habe ich auch ganz selten, dass man wirklich Männer findet, die sich selbst offen als Feminist bezeichnen. Fühlst du dich da… alleine, sage ich mal? Was machen die anderen Männer damit und was machen Frauen damit?

Timm Kroeger:

Zum Glück fühle ich mich nicht mehr ganz alleine. Ich kenne viele Frauen, die Feministinnen sind. Wenige Männer, wobei auch ein paar inzwischen, das hat sich dann einfach ergeben im Lebensverlauf. Ein paar habe ich auch zum Feministen machen dürfen, aber indem sie bei mir bei Workshops teilgenommen haben, haben sie doch erkannt, dass das was Gutes ist. Aber ich habe so das Feedback häufig von anderen Männern, also nicht mal so ein direktes Feedback, sondern indirekt, dass sie sich irgendwie anfangen zu rechtfertigen vor mir für Aussagen, für Verhaltensweisen und so weiter. Irgendwie so: Ach, der Tim ist irgendwie im Raum, dann muss ich ihm jetzt erklären, warum ich das gerade gesagt habe, oder dass ich ja gar nicht so schlimm bin. Oder sie versuchen, auch irgendwo in ihrem Leben, Gleichstellungselemente besonders hervorzuheben, was ich ja sehr schön finde. Also ist es ja gut, wenn man dann reflektiert und feststellt, ich mache doch auch irgendwie was für Gleichstellung. Und von Frauen ist es gemischt tatsächlich. Da gibt es natürlich welche, die finden das gut und finden das toll und andere, die finden das auch ein bisschen vielleicht seltsam, ob man überhaupt Feminist sein kann. Die Diskussion gab es auch schon mal, also unterschiedlich.

Natascha Heinisch:

Du hast ja schon gesagt, über Workshops hast du manche Männer schon zum Feminismus ein bisschen hinbringen können. Abseits von Workshops, hast du Ideen, wie man das Thema für Männer allgemein interessanter, ansprechender, relevanter machen könnte? Wir haben schon immer auch so ein bisschen die Herausforderung, wenn wir mit unserer Botschaft rausgehen, dass viele Frauen, Gleichstellungsbeauftragte, also Frauen, da voll mit dabei sind, aber dass wir sehr wenig männliches Publikum haben und wir fragen uns immer, wie kann man die Männer besser mitnehmen? Hast du Ideen?

Timm Kroeger:

Ja, es ist erst mal sehr schwer und ich glaube, auch mit viel Frustration verbunden. Die Frage stelle ich mir oder auch mit Kolleginnen schon seit vielen Jahren: Was am besten funktioniert, ist tatsächlich, wenn die Männer gezwungen sind, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, weil zum Beispiel Arbeitgebende eine Kampagne machen oder eben irgendwelche Trainings verpflichtend machen. Was sonst immer hilft, finde ich, ist in irgendeiner Form die Menschen, ob das jetzt Männer oder andere Geschlechter sind, zum Nachdenken anzuregen, indem Fragen auftauchen irgendwo. Sei es in einem Post in sozialen Medien, sei es auf einem Poster oder einem Aufkleber, den man vielleicht auf der Toilette am Waschbecken anbringt, Das war mal was, was wir gemacht hatten und wo einfach Fragen stehen, die zum Nachdenken anregen. Zum Beispiel: Was hat Feminismus mit dir zu tun? Man kann natürlich sagen, nichts, aber ich kann vielleicht auch anfangen, schon mal nachzudenken. Oder: Was kostet Gewalt gegen Frauen? Monetär. Wie viel Euro kostet Gewalt gegen Frauen zum Beispiel, im Jahr? Und dann fangen die Menschen an, drüber nachzudenken. Idealerweise hat man dann noch irgendwo eine Antwort. Das kann man ja ganz unterschiedlich machen. Genau. Und fragen, wenn sie geschickt gestellt sind, bringen Menschen dazu nachzudenken, auch wenn sie es vielleicht gar nicht wollen.

Und dann hat man zumindest mal einen kleinen Finger in der Tür und kann die vielleicht noch ein bisschen weiter aufstoßen irgendwann.

Natascha Heinisch:

Ist das Sokrates, der seine Philosophie, indem er die Leute gefragt hat, war es Sokrates? Ich weiß es nicht, aber es ist auf jeden Fall ein sehr guter Ansatz, ich frage den anderen was und lasse ihn dann elaborieren und dann kommt der auf seine eigenen Gedanken. Du hast schon erzählt, du bist Diversity Manager. Ich war mal Diversity-, ich weiß gar nicht, wie sie es nannte, „-Beauftragte“ an einer Uni, wo das mehr oder weniger deswegen so war, weil man hat eine Diversity-Stelle irgendwo gebraucht und dann hat das jemand nebenher gemacht und dann habe ich das nebenher gemacht. Du hast auch schon gesagt, du machst es aus Spaß und nicht unbedingt des Geldes wegen. Wie bist du denn hingekommen zum Diversity-Management?

Timm Kroeger:

Ich bin tatsächlich das erste Mal im Leben, wie sagt man, ge-headhunted worden, oder von einer Headhunterin angesprochen worden. Genau, das Unternehmen suchte jemanden und hat sich dann eben Expertise reingeholt und dann wurde ich angesprochen und dann hat das gepasst. Ja, so bin ich dazu gekommen. Aber ich habe vorher viel, wie gesagt, schon Gleichstellungsarbeit gemacht. Ich habe zur Interkulturalität gearbeitet, auch an ein paar Antirassismus-Projekte gemacht, also ganz verschiedenes im breiten Diversity-Spektrum.

Natascha Heinisch:

Da wollte ich nämlich direkt als Nächstes draufkommen, der Gewaltpräventionsbereich und auch die feministische Arbeit, die du mit Kindern schon gemacht hast. Erzähl doch einfach mal,  da will ich sehr gerne einen kleinen Einblick bekommen und alle, die uns zuhören, sicher auch.

 
Timm Kroeger:

Genau, zu der Arbeit mit Kindern bin ich gekommen, ich war viele Jahre in der Entwicklungszusammenarbeit tätig in Lateinamerika und habe damit Kolleginnen, wir waren, ich glaube, circa in einem Projekt in vier Ländern und ich war der einzige Mann und wir haben aber gemeinsam überlegt gehabt, also Prävention von Gewalt gegen Frauen bedeutet ja auch immer, Geschlechterrollenbilder aufbrechen, an den Ursachen zu arbeiten. Wir haben dann überlegt und haben eben geschaut und ich sage mal, eine gute Altersgruppe ist auch das Kindheitsalter so ab fünf, sechs Jahren. Da sind die Bilder zwar da, aber sie sind noch nicht so ganz verfestigt. Auch intergenerationale Erfahrungen, also wenn man die eigenen Eltern oder sonst im familiären Umfeld miterlebt, ist auch noch nicht so verfestigt. Das heißt, da kann man noch präventiv stärker arbeiten. Und da haben wir dann eben ein Projekt entwickelt, haben das in Lateinamerika dann umgesetzt und irgendwann läuft es auch von alleine. Also es sind dort, keine Ahnung, ich glaube, für das letzte Mal waren es irgendwie über 53.000 Kinder und über 300 Menschen, die das umsetzen können. Und dann haben wir das 2014/15 mit der Hochschule Rhein-Main in Wiesbaden mit Professorin Heidrun Schulze haben wir das nach Deutschland gebracht, weil wir uns getroffen haben, kennengelernt haben und sie sagte, das brauchen wir doch auch hier.

So ist es nach Deutschland gekommen und ich habe dann noch mal eine Variante entwickelt, die heißt „Buten und binnen – Gewalt darf nicht gewinnen“. Und das setze ich eben in Bremen plus Umland ehrenamtlich um an Schulen, die das sich wünschen und versuche, das aber auch in die Breite zu bringen, weil es wirklich sehr schön ist, mit Kindern dazu zu arbeiten und man auch sieht, dass die Kinder sehr, sehr viel damit mitnehmen und auch sehr viel Gleichstellungsgedanken dann überhaupt das erste Mal stattfinden. Also wenn ich zum Beispiel mit so einer Klasse arbeite, 15, 20 Kinder oder auch mal 25 und zum Beispiel … Und es gibt ein Spiel, es gibt verschiedene Dinge, aber es gibt ein Spiel und dann gewinnen sie Fragen. Du merkst, Fragen sind mir wichtig. Zum Beispiel gewinnen sie die Frage: Können Jungs und Mädchen beste Freundinnen sein? Dann kommen natürlich: Nein, auf keinen Fall, das geht ja überhaupt nicht.

Natascha Heinisch:

Iiiih!

Timm Kroeger:

Genau. Nein, iiiiih , bloß nicht. Und dann sage ich: Aber warum denn nicht? Und dann kommt meistens erst mal keine Antwort, so ein lautes Nachdenken. Und dann frage ich: Warum ist eure beste Freundin, eure beste Freundin oder euer bester Freund, euer bester Freund?

Und dann kommt: Ich kann mit ihm oder mit ihr gut spielen. Ich kann mich anvertrauen, die plappert nichts weiter, wir haben Geheimnisse und keine Ahnung. Und dann frage ich nach: Könnte auch einen Junge was für sich behalten oder ein Mädchen wechselweise? Habt ihr schon mit einem Mädchen gespielt oder mit einem Jungen? Und dann wird rumgedruckst und irgendwann kommt es dann doch zur Aussprache, dass klar, man spielt auch mit den anderen, aber die Angst ist da, dass die anderen einen dann ärgern und sagen: Iiih, bist du verliebt?, oder keine Ahnung. Das fängt dann schon dritte, vierte Klasse so an und dann sprechen wir natürlich darüber: Was macht das? Also wenn ihr halt nicht verliebt seid, dann könnte es doch egal sein, was die sagen. Dann stärken wir auch, arbeiten wir danach auch noch zum Thema Selbstbewusstsein. Und so brechen wir dann verschiedene Konzeptionen auf über Vorannahmen. Oder zum Beispiel: Machen Männer sich schön, ist dann auch so eine Frage. Oder können Frauen Chefin sein? Was ist denn eigentlich eine Chefin oder ein Chef? So was. Und ganz verschiedene Fragen. Und die Kinder denken dann drüber nach und stellen dann ganz verschiedene Dinge fest.

Und das ist immer schön zu sehen, auch wenn man dann vielleicht nach einer Zeit noch mal hinkommt, dann erinnern sich die Kinder, sprechen noch drüber.

Natascha Heinisch:

Inwieweit könnt ihr gegen Eltern auch gegenarbeiten? Also wenn jetzt ein Kind irgendwie schon sehr vorgeprägt ist, kommt man da noch gut ran, wenn das Kind dann vielleicht auch nach Hause geht und erzählt: Ja, da wurde mir gesagt, ja, nein, natürlich kann ich mit einem Mädchen befreundet sein, und dann das gegen die Vorstellung der Eltern geht. Was passiert dann?

Timm Kroeger:

Idealerweise findet natürlich auch eine Arbeit mit den Eltern statt. Das heißt, zumindest kurz informativ über Elternabende, wo man auch so ein bisschen zumindest mal ein paar Fragen reingeben kann oder auch intensiver. Also mit dem Wiesbaden-Projekt oder lateinamerikanischem Projekt, da haben wir es auch schon mal so gemacht, dass wir dann im Anschluss Eltern eingeladen haben und die das mit ihren Kindern gemeinsam gemacht haben. Und dann hat das den Effekt, die Kinder kennen die Antworten schon und wissen dann auch ein bisschen mehr als ihre Eltern. Das gibt noch so ein Empowerment. Aber es gibt natürlich auch Grenzen. Ich hatte zum Beispiel mal die Frage: Sind Männer mehr wert als Frauen und Jungs mehr als Mädchen? Was meint ihr? Und dann sagt der eine Junge: Ja, auf jeden Fall. Ich sage: Warum? – Mein Vater sagt das.

Ich meine, da ist schwer, das noch aufbrechen. Vor allem war die Zeit auch schon rum. Das war so die Abschlussfrage und dann habe ich halt nur die Frage noch mit reingegeben: Aber kann dein Papa sich vielleicht auch mal irren oder hat er immer recht? Und dann hat er zumindest nachgedacht und hat dann gesagt: Ja, wahrscheinlich kann er sich schon mal vertun.

Also man kann in drei Stunden, acht Stunden oder drei Tagen, je nachdem, wie lange man sich dafür Zeit nehmen möchte, natürlich nicht aufbrechen, was durch das Umfeld schon für fünf, sechs, zehn Jahre aufgebaut wurde, aber man kann zumindest Anreize geben, sich Gedanken zu machen.

Natascha Heinisch:

Ist es schwer dann, wenn das so endet, das dann so gehen zu lassen, wo man sagt, da will ich gerne noch was machen, aber ich komme jetzt nicht mehr so richtig ran? Muss man lernen wahrscheinlich, dass man sagt, okay, in meinem Rahmen mache ich das und alles verändern kann ich leider nicht und das Kind geht jetzt nach Hause und hat vielleicht einen Denkanstoß bekommen, aber vielleicht reicht es auch nicht.

Timm Kroeger:

Genau, kann frustrierend sein, aber ich habe damit gelernt, umzugehen. Man tut, was Mensch tun kann. Ich pflanze meinen Samenkorn oder wie auch immer man das nennen möchte und hoffe, dass das wächst und gedeiht. Und man ist auch nicht der einzige Mensch, der irgendwo da ist im Leben des Kindes. Manchmal freue ich mich natürlich, wenn es engagierte Lehrer:innen gibt, die da zugehört haben, dass, auch wenn sie das Thema selbst vorher noch nie gemacht hatten, das dann aufgreifen noch mal, da immer mal wieder sich Bücher angucken oder vielleicht einfach noch mal Dinge diskutieren mit ihren Schüler:innen. Aber selbst wenn nicht, habe ich immer das gute Gefühl, was getan zu haben und dass die Kinder zumindest mal eine andere Perspektive kennengelernt haben und sich bestimmt auch mal daran erinnern.

Natascha Heinisch:

Kannst du zum Bereich Gewaltprävention, jetzt abseits von der Arbeit mit Kindern, auch noch was erzählen?

Timm Kroeger:

Genau, ich mache Gewaltprävention ja nicht nur mit Kindern, auch mit jugendlichen Erwachsenen jeglichen Alters. Also habe auch spezifische Prozesse nur mit Männern zum Beispiel gemacht, hatte in Ecuador einen größeren Prozess, mein Lieblingsprojekt meines Lebens sozusagen. Das war mit einer US-Künstlerin. Ich habe 32 männliche Trainer fortgebildet in jeweils dreitägigen Workshops und die haben dann im Anschluss in ihren verschiedenen Kreisen dann wieder andere Männer sensibilisiert und wir haben es geschafft, in drei Monaten 1100 Männer zu erreichen, die dann Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen, also am 25. November, das war dann 2015, eine öffentliche Performance gemacht haben und eingetreten sind gegen diese Form von Gewalt und die öffentliche Diskussion damals in Ecuador mit angestoßen haben. Das war echt ein toller Prozess. Und wie ich das mache, ist von, ich sage mal, feministischer Seite nicht ganz unkritisch, wird nicht ganz unkritisch gesehen, denn es hat im Prinzip drei Elemente, sei das jetzt ein kurzer Sensibilisierungstraining von zwei Stunden oder eben so ein dreitägiges train-the-Trainer-Format. Das erste Element ist tatsächlich, wir gucken erst mal auf Männlichkeitsbilder und was macht Männlichkeit mit uns Männern? Wir schauen nicht auf andere Geschlechter, nicht auf Frauen. Erst mal nur auf uns und beschäftigen uns mit, genau, was macht das mit uns und warum ist vielleicht so ein traditionelles Bild gar nicht so gut.

Und im zweiten Schritt geht es dann darum, was macht das gesellschaftlich, dieses Mannsein und wie führt das eigentlich zu Gewalt? Und dann im dritten Schritt eben, ja, Gewalt gegen Frauen zu verstehen, Verantwortung zu übernehmen, auch als vielleicht nichtbeteiligter Mann, aber als eben Mann in einer Gesellschaft, in der Männer Gewalt ausüben, weil sie Männer sind und letztendlich dann eben ins Handeln zu kommen. Also was kann ich eigentlich tun in meinem privaten Umfeld, in meiner Arbeit? Oder eben auch, wie kann ich mich zusammentun und was Größeres machen?

Natascha Heinisch:

Ich habe jetzt am Wochenende erst wieder gedacht, es ist auch gar nicht leicht, ein Mann zu sein. Wir waren am See und da war so eine Gruppe von Halbstarken, die sich an den Bäumen mit ihren gestählten Körpern dann da immer Klimmzüge gemacht haben und wer kann weiter oben vom Baum runterspringen und es ist megasaugefährlich, dieses: Ich muss irgendwie zeigen, dass ich auch so groß und so gut und so stark wie die anderen bin. Siehst du eine Veränderung schon? Ich habe jetzt weniger Einblick in, wie Männer untereinander sind. Sieht man, dass sich das verändert?

Timm Kroeger:

Ja, es gibt natürlich diejenigen, die sich damit bewusst auseinandersetzen, die durchaus vielleicht andere Männerbilder leben oder vielleicht sich generell mit dem Thema „Muss ich ein Geschlecht haben? Beschäftigen. Auch das Konzept finde ich spannend und es verändert auf jeden Fall auch das eigene Umfeld. Also auch ich selbst, wie auch die Teilnehmenden bei mir merken natürlich, dass auch Freundschaften mit enden können tatsächlich, weil ich vielleicht keine Lust mehr habe auf die dummen Sprüche, die Witze, das Hinterherpfeifen, Catcalling und was auch immer so stattfindet, so bisher in meinem Kreis oder auf irgendwelche Pornos teilen oder was da so passiert. Und dann bin ich auf einmal der Außenseiter, war vorher vielleicht sogar Vorreiter und muss natürlich mit dieser Rolle auch lernen, zurechtzukommen. Man muss sich als Mann ständig beweisen. Diese konstante Beweislast haben Frauen auch und andere Geschlechter sicherlich auch, aber im Männlichen ist es eben besonders stark, immer der Stärkste sein, der am meisten trinkt, am besten Körper hat, die meisten Mädels abschleppt, wie auch immer. Viele machen sich das ja gar nicht bewusst, sondern versuchen, das eben irgendwie zu erreichen. Habe ich in meiner Jugend vielleicht auch getan. Und dann hilft es aber, sich mal Gedanken zu machen: Brauche ich das überhaupt?

Also was bringt es mir eigentlich, wenn ich der schnellste bin, wenn ich der meisten trinke? Macht es mich glücklich? Macht es mich nicht glücklich? Was will ich eigentlich für mich von meinem Leben haben und was macht mich wirklich glücklich. Und wenn man dann mal drüber nachdenkt, dann kann natürlich die Entscheidung immer noch sein: Ich möchte so ein Kerl sein, aber vielfach ist sie dann eben nicht so. Vielfach ist sie: Eigentlich will ich was anderes. Und dann muss ich natürlich noch im zweiten Schritt lernen, was ich jetzt weiß, was ich eigentlich will. Darauf hinzuarbeiten, aber auch, wie gehe ich jetzt mit meinem Umfeld um, wo ich einfach nicht mehr der bin, der ich vielleicht bis heute war.

Natascha Heinisch:

Das Hauptthema dieses Podcasts oder eines der wichtigen Themen ist natürlich equal pay. Inwieweit begegnet dir das Thema in deinem Beruf oder auch abseits deines Berufs?

Timm Kroeger:

Also es begegnet mir tatsächlich immer häufiger, teilweise auch erschreckend, wenn ich zum Beispiel auch mit Kindern arbeite und die mich dann fragen, warum Frauen weniger verdienen. Also es ist ja nicht jedes Mal so, aber es passiert durchaus, dass vor allem Mädchen mich fragen, warum sie später weniger verdienen werden. Und wenn das Thema da ist, dann sprechen wir natürlich darüber. Dann stelle ich wieder Fragen: Was meint ihr, warum das sein könnte? Oder auch die Frage wieder nach der Wertigkeit: Meint ihr, die Arbeit von einem Mann ist mehr wert oder Arbeit? Und dann brechen wir das eben auf. Aber auch wenn ich mit Erwachsenen arbeite, ist das natürlich auch Thema. Also auch mit den Männlichkeitsworkshops, sage ich mal, oder wenn ich mit Männern arbeite, ist es immer eine Frage: Was würde denn equal pay bringen? Also warum sollte ich als Mann für equal pay sein? Hat das irgendwelche Vorteile für mich wieder, um da eine Motivation hinzukriegen, auch da hinzugehen. Aber auch in einem Job, in einem vorherigen Job von mir, hatte zum Beispiel eine Kollegin ähnlich qualifiziert wie ich, hatte eben weniger Gehalt bekommen und dann habe ich sie natürlich, soweit ich das konnte, auch unterstützt, dass wir da Druck auf die Struktur gemacht haben, zu gucken, warum denn eigentlich.

Wir haben eine ähnliche Qualifikation. Wir haben fast gleichzeitig angefangen, ein paar Monate Unterschied nur. Warum kriegt sie eine Gehaltsstufe, eine Erfahrungsstufe weniger als ich? Oder zwei waren es, glaube ich, sogar. Das ist das eine und dann natürlich auch im hauptberuflichen Kontext, dass man da natürlich auch unterstützt, dass die Strukturen entsprechend  sind, dass da gerechte Gehälter bezahlt werden.

Natascha Heinisch:

Was für eine Antwort habt ihr denn gefunden? Was war denn der Grund im Endeffekt? Oder was wurde euch gesagt, was der Grund ist, warum sie weniger gekriegt hat?

Timm Kroeger:

Die große Problematik oder beziehungsweise womit man uns eher die Tür zugemacht hat, zugehämmert hat oder verschlossen hat, war mit dem Totschlag-Argument Datenschutz. Also Datenschutz, wir dürfen nicht vergleichen. Und es kann passiert sein, dass da zwei verschiedene Personen Sachbearbeitung da dran waren und die das anders eingestuft haben oder dass die gleiche Person das zu zwei Zeitpunkten gemacht hat und nicht vergleichen darf und eben nicht verglichen hat. Und wir waren drei Jahre zusammen in dem Job oder in dem Projekt und sind leider zu keinem Ergebnis gekommen.

Natascha Heinisch:

Eine meiner nächsten Fragen wäre auch gewesen: Was kann ein Mann oder was können Männer zur beruflichen Gleichstellung? Was kann man beitragen zu equal pay? Hast du ja schon ein ganz praktisches Beispiel genannt, bis einfach ein ally, wie man jetzt so neudeutsch sagt, ein Verbündeter bist du gewesen in dem Fall.

Timm Kroeger:

Genau, in dem Fall musste sie trotz meines Allyships, trotz meiner Unterstützung, die Hauptlast dieses Kampfes, sage ich mal, tragen. Ich konnte ja begrenzt unterstützen und indem ich halt eben immer wieder angeboten habe, gesagt habe, hier, ich lege meinen Lebenslauf offen, meine Erfahrungen, und wenn ihr Zeugnisse gebraucht, lege ich die natürlich auch offen. Natürlich hat man dann auch in so einer Situation ein bisschen Angst oder Bammel und sagt, oh, nachher werde ich zurückgestuft und eigentlich brauche ich das gute Geld doch auch. Aber andererseits denke ich mir, aber irgendwann muss man halt mal diese Schlachten kämpfen und man muss es erreichen. Und andererseits geht es auch nicht darum, dass ich runtergestuft werde, sondern sie hochgestuft wird, also dass wir auf eine gleiche Ebene kommen. Das ist das eine jetzt im Einzelfall, aber generell, finde ich, kann man ihn immer gut unterstützen durch Transparenz. Deutschland ist ja generell ein Land, in dem wenig drüber gesprochen wird, was wir verdienen. Das ist in anderen Ländern anders. Warum nicht einfach mal anfangen, die Karten auf dem Tisch legen und sagen, so, hier, ich mache diese Stelle, das ist meine Erfahrung, ich verdiene so viel, was verdient ihr denn eigentlich so?

Das zu enttabuisieren und das würde es, glaube ich, Arbeitgeber:innen schwieriger machen, unequal zu zahlen.

Natascha Heinisch:

Wie ist das zum Beispiel in Lateinamerika? Ist man offener mit dem, was man verdient oder in anderen Ländern, wo du irgendwie Berührungspunkte hattest mit Transparenz? Wer kriegt wie viel oder wie wenig?

Timm Kroeger:

Ich hatte mal ein Projekt in USA, da wurde sehr viel drüber gesprochen. Ich weiß nicht, ob das immer so ist. Das ist jetzt natürlich mein Eindruck. In Lateinamerika hat man weniger drüber gesprochen, aber ich war viel im öffentlichen Dienst und da war das, wie hier, auch Tarif häufig, aber eben ohne Erfahrungsstufen. Man hat einen Tarif und den hast du, und dann wirst du danach bezahlt. Und dann hat man drüber gesprochen, welche Stufe man ist. Aber mein Eindruck, da habe ich jetzt keine Zahlen zu, war tatsächlich dass es dort durchaus gerechter in der Hälfte zuging. Zumindest was Verwaltung angeht. Jetzt die Privatwirtschaft kann ich nicht sagen.

Natascha Heinisch:

Wir hatten es hier im Podcast auch schon an verschiedenen Stellen über den deutschen öffentlichen Dienst und dass das alles Transparenz und so weiter ist, aber dass mit den Stufen innerhalb einer Entgeltgruppe man auch ganz viel von Arbeitgeberseite drehen kann, wo man sich dann denkt: Hey, aber warum denn? Ich war schon in der Stufe drei und an der nächsten Uni war ich dann wieder in der Stufe eins, weil man irgendeinen Grund gefunden hat, warum das nicht relevant genug oder wie auch immer. Dann muss man wieder drei Jahre da arbeiten, bis man wieder da ist, wo man eigentlich vorher schon mal war. Und auch da ist es zwar transparent, aber auch nicht immer gerecht.

Timm Kroeger:

Genau. Und das ist ja das eine, wenn man sich auf offene Stellen bewirbt, aber auch wenn es nicht sein soll, vermute ich einfach mal wild ins Leere, dass es bestimmt auch Stellen gibt, die für jemanden so ein bisschen ausgeschrieben werden. Und da kann man ja auch schon mit der Tarifstufe natürlich vorab schauen. Klar versucht man über Tarife schon transparent zu sein, aber es wird immer noch ein bisschen gesteuert.

Natascha Heinisch:

Oh ja, das hatte ich auch schon, ein Bewerbungsgespräch, wo ich auch frisch nach der Uni hingegangen bin, wo ich danach erfahren habe, dass ich diese Stelle, egal was ich gesagt hätte, eh niemals bekommen hätte, weil man schon wusste, wer zu dem Gespräch hingeht und wer die Stelle dann auch bekommt und wusste das dann leider erst Jahre später. Ich habe dann ganz schlimm geweint danach, weil ich dachte, das ist doch so gut gelaufen, ich habe mich doch so angestrengt und ich habe das Gefühl gehabt, ich war doch eigentlich gut. Aber war wurscht, also egal, wie gut es war, es war nicht meine Stelle. Also auch da gibt es noch auf jeden Fall viel Verbesserungspotenzial, auf jeden Fall. Wir haben am Anfang schon ein bisschen darüber geredet, aber ich würde gerne noch mal darauf zurückkommen, vielleicht ein bisschen Ideen hin- und herwerfen, auch für das Thema equal pay, was man mit den Männern noch, wie man sie noch ein bisschen mehr herauskitzeln könnte. Wir vielleicht auch in unserer Arbeit oder im Alltag, was man tun kann, das Ganze so ein bisschen „sexier“ zu machen, dass es nicht so „aber du solltest doch!“ mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern dass man Lust hat, als Mann da was mitzumachen.

Timm Kroeger:

Manchmal mache ich es auch einfach nur über das Symbolische sage ich mal, dass ich irgendwie einen Cap auf habe oder ein T-Shirt, wo irgendwie das drauf steht, wie „We should all be feminists“ oder keine Ahnung was. Dann wird da nicht drüber gesprochen, aber was ich sehe es, dass die Blicke draufgehen. Um das Ganze sexier zu machen, denke ich, oder neudeutsch viraler, vielleicht. Da müsste man das irgendwie hinkriegen, das auch spaßiger zu machen. Also das Reflektieren oder das drüber nachdenken, irgendwie hinzukriegen, dass es lustiger ist, dass es nicht so bierernst ist, dass das durchaus auch erlaubt ist. Und das finde ich wichtig, die tradierten Sachen noch weiter rauszuhauen, aber sich dann da Gedanken drüber machen. Also immer noch einen Mario Barth-Witz zu machen, sage ich immer, dann aber vielleicht drüber zu lachen und sagen, eigentlich redet der Quatsch und das ist doch Blödsinn, und dann fängt so eine Reflexionsspirale an. Also ich bin dann nicht der Mensch, der dann irgendwie mit der roten Karte den Zeigefinger oder Ähnliches ist, sondern dann sage ich, na ja, mal kurz. Wenn man ein Budget hätte, könnte man vielleicht auch gut über Videos nachdenken, die zum Nachdenken reden, aber eben lustige Videos, die die Menschen kurze Clips, die Leute Lust haben, sich anzuschauen, die lustig sind, aber gleichzeitig natürlich auch zum Nachdenken anregen.

Ich glaube, das wäre eine gute Variante, die auch leicht zu teilen sind.

Natascha Heinisch:

Dass du dich selbst als Feminist bezeichnest, das habe ich an einer anderen Stelle erfahren. Und zwar war das in dem „Buten und Binnen“, das hattest du ja vorhin bei deinem Projekt auch schon genannt, also die Sendung Buten und Binnen. Da hast du Gericht gekocht, „Tigrillo“ heißt das. Wörtlich das „Tigerchen“, aber es ist eigentlich eine Art Ozelot, also eine abartig süße Katze. Ich habe sie gegoogelt: mit eines der niedlichsten Tiere, das ich jemals gesehen habe. Was hat dieses Gericht, diese Katze, was hat das mit Feminismus zu tun? Warum hast du das da gekocht?

Timm Kroeger:

Genau, ich habe es gekocht. Das Gericht heißt nach dieser Baumkatze, die sieht vom Fell so ein bisschen wie ein Leopard aus, kann man sich das vorstellen. Und das Gericht sieht, wenn man es richtig hinkriegt, dann auch so aus, also eher gelb-bräunlich mit so dunkelbrauneren Flecken. Deswegen heißt es, vermute ich, so. Und was es mit Feminismus zu tun hat, ist, zumindest in Ecuador, an der Küste. Muss man auch noch mal unterscheiden dort. Oder ich sage mal andersherum, nicht alle kennen das, aber viele sagen, es ist ein sehr mächtiges Gericht, es ist sehr energiehaltig und man schafft meistens nicht so einen ganzen Teller. Man kann in manchen Restaurants auch eine halbe Portion bestellen und dann sagt man eben, ein echter Kerl bestellt eine ganze Portion und wenn man diesen echten Kerl dann ärgern will, sagt man schafft die dann nicht. Ein echter Kerl bestellt natürlich keine halbe Portion oder keinen Kinderteller, sondern hier die volle Packung und dann ist das aber doch zu mächtig, dann schafft man das nicht alles zu essen. Das ist so ein bisschen der Bezug dazu.

Natascha Heinisch:

Fand ich sehr, sehr, sehr cool. Wenn wir gegen Ende unseres Podcasts kommen, dann machen wir seit einiger Zeit einen kleinen Exkurs, wo unsere Gäste und Gästinnen das Spotlight richten können auf eine weiblich gelesene Person, die aus allen Bereichen, die man sich so vorstellen kann, kommen könnte und die mehr „Bekanntheit“ vielleicht haben sollte. Muss aber auch nicht unbedingt. Also eine weiblich gelesene Person, wo du sagst, da möchte ich mal mein Spotlight drauf richten, aus folgendem Grund. Wen hättest du denn da für uns?

Timm Kroeger:

Ich weiß jetzt nicht, ob ich das richtig ausspreche: Nwanyeruwa war eine nigerianische Frau, die auch für die Freiheit damals in der Kolonialzeit kämpfte und ich auf sie gekommen bin. Ich habe, als mein Sohn geboren wurde, habe ich ihm ein Buch gekauft mit 55 Powerfrauen. Da sind dann tolle Bilder drin von den Frauen, die auch sehr powerful aussehen und dann ist einmal kurz beschrieben, wer das ist. Und da hat er seine drei Favoritinnen auch drin und eine davon ist eben Nwanyeruwa. Und die Geschichte von ihr wird eben so beschrieben, dass sie da in ihrem Dorf in ihrer Hütte war und dann kam ein nigerianischer Mann, ein Beamter für die Briten, die Steuer einzutreiben. Und dann hat sie gesagt, sie hat nichts oder sie müsste als Frau auch nichts abgeben. Und er hat dann aber darauf bestanden und hat sie anscheinend umgestoßen oder schlecht körperlich geschubst oder Ähnliches. Und sie hat dann daraufhin ihre Freundinnen, vor allen Dingen andere Frauen erst mal eingeladen und sie sind dann vor das Haus dieses Mannes gezogen und haben dann laut gesungen und getanzt und einfach gute Stimmung gemacht, damit er spürt, sie ist nicht alleine, wir sind nicht alleine.

Und das ist dann immer größer geworden und immer stärker gewachsen, bis es irgendwann dann große Aufstände gab und man sich befreit hat. So habe ich die Geschichte verstanden. Ich hoffe, ich habe sie noch richtig im Kopf.

Natascha Heinisch

Wow, eine wundervolle Geschichte. Sehr, sehr, sehr schön. Vielen Dank für den Tipp, weil wir auch immer versuchen suchen, soweit es geht, ein bisschen intersektional zu sein. Also auch da ist ein sehr tolles Beispiel. Vielen Dank dafür. Und ganz am Schluss unseres Podcasts haben wir auch immer die Frage, zu der jetzt unser wundervoller Einspieler kommt: Was bringt dich aktuell zum Fauchen und was bringt dich zum Schnurren beim Thema equal pay?

Timm Kroeger:

Zum Fauchen, zum Zähnefletschen bringt mich, dass es a) wir immer noch unequal pay haben, obwohl zum Beispiel die EU sagt, das ist so das Sternchenthema, worauf sie sich fokussiert seit vielen Jahren schon, insgesamt Gendergerechtigkeit hinzukriegen und trotzdem passiert so wenig. Man traut sich so wenig in dem Bereich. Das bringt mich immer noch zum Fauchen. Zum Schnurren bringen mich all die Menschen, auf die ich immer wieder treffe, in verschiedenen Kontexten, die für sich doch annehmen, wie wichtig es eigentlich ist und dass es uns allen guttut, wenn wir ein gleichgestellteres Leben hätten oder haben. Und auch wenn sie nur kleine Dinge sich vornehmen oder vermeintlich kleine Dinge vornehmen, dann finde ich das schon einen guten Grund zum Schnurren.

Natascha Heinisch:

Ich habe auch gerade vorhin gedacht, auch das mit dem Buch ist auch was ganz Kleines, aber dass dein Sohn dieses Buch hat mit den Power-Frauen, dass es so was gibt und dass er direkt mit so vielen verschiedenen Frauen und dass er da auch seine Lieblinge schon hat, ist ja was ganz kleines, aber es ist irgendwo auch was ganz Großes.

Timm Kroeger:

Ich fände da sowieso eine gute Sache, sich einfach mal Frauen in der Geschichte anzugucken, weil sie viel zu oft nicht reingeschrieben werden, verheimlicht werden, unter den Tisch fallen, sich das dann einfach vorzuholen.

Und ich hatte jetzt kürzlich auch drüber gelesen, „The Power of Wonder“, wie Wundern glücklich macht. Und im Prinzip sagt das einfach nur, wenn man sich eine Sache im Monat denkt, das finde ich interessant und da möchte ich mehr drüber wissen und das dann aber nicht im Internet recherchiert, sondern vielleicht in Büchern oder in der Bibliothek und dann Neues herausfindet. Das macht glücklich und das gebe ich jetzt auch immer allen mit. So, seid mal neugierig, findet man zum Beispiel was raus über eine Frau, die ihr nicht gut kennt oder ich schicke euch einen Namen und dann recherchiert ihr mal und dann macht das wirklich glücklich, dieser Aha-Moment, den man sich selber erarbeitet.

Natascha Heinisch:

Voll, ja. Ich habe ja zwei Jobs, einer davon ist in der Verwaltung und da merke ich auch immer, wenn ich mal so neuen Input bekomme, so was, was abseits der Verwaltung oder dem, was ich so tagtäglich tue, dann hat man so ein neues Wissen: „Ach, in mir gibt es noch so ein bisschen was Kindliches auch. Da will ich jetzt noch mehr drüber wissen und das habe ich mir noch gar nicht so richtig angeguckt.“ Das ist eine ganz, ganz tolle Sache. Ja, das stimmt. Gibt es sonst noch was, was du ganz am Schluss noch für die Welt loswerden möchtest?

Timm Kroeger:

Ja, immer, dass Gleichstellung beziehungsweise, wenn wir offen auf Menschen zugehen, ganz gleich welchen Geschlechts, ganz gleich welcher Herkunft, dann können wir viele schöne Dinge in diesem Leben entdecken. Und eigentlich geht es doch darum, das Leben ist kurz, lasst uns glücklich sein und uns nicht so verbittern, dass andere Menschen vielleicht nicht so sind, wie wir es gerne hätten. Heute Morgen hatte ich noch einen Satz gelesen: „Liebe ist angeboren, Hass wird erlernt.“ Warum soll ich blöde Sachen lernen?

Natascha Heinisch:

Das ist ein wunderbares Abschlusswort, besser hätte ich es nicht sagen können. Falls ihr da draußen Fragen an uns habt zu diesem Podcast oder allgemein zu equal pay, dann könnt ihr die wie immer gerne stellen an info@equalpayday.de und uns wie immer auch sehr gerne folgen auf Social Media, wo wir unterwegs sind unter dem Hashtag #epd. Dann sage ich dir, Timm, vielen Dank, dass du heute da warst. Das war sehr inspirierend, sehr, sehr schön. Vielen, vielen Dank und euch da draußen ein fröhliches Tschüss.

Timm Kroeger:

Ja, auch von meiner Seite vielen Dank, dass ich da sein durfte und allen hoffentlich einen schönen, glücklichen Tag.

,
link interview

Podcats -

Der Podcast zu equal pay

link shop

Shop

Materialien für den Equal Pay Day

link wiki

Wiki

Gesammeltes Wissen über equal pay in Deutschland und anderswo

link publikationen

Publikationen

Alle EPD Journale können Sie hier nachlesen

link studien fakten

Studien

und Fakten

link newsletter

Newsletter

Melden Sie sich für den Newsletter an

initiiert von

unterstützt vom

 
Nach oben scrollen