Wir wollen in unserem Podcast darüber sprechen, was passieren muss, damit in Deutschland Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Arbeit endlich auch gleich bezahlt werden.
Wie stellen wir die Weichen auf gerechte Bezahlung in der Arbeitswelt von morgen? Wie schaffen kürzere Arbeitstage gleiche Karrierechancen für Frauen und Männern? Was erfahren wir aus den Drehbüchern für Filme und Serien über unsere Vorstellungen von der Arbeit? Und wie wird IT inklusiv? Das alles wollen wir mit diesem Podcast herausfinden.
Wir freuen uns, wenn Ihr Mal reinhört! Garantiert ohne Kater danach!
Alle Folgen hier.
Natascha Heinisch:
Da wir hier die Podcats sind, habe ich heute zum Einstieg
für euch mal eine Katzengeschichte. Und zwar habe ich meinen ersten kleinen
Kater vor etwa zwei Jahren bekommen und war damals in einer Wohnsituation, wo
ich sehr unglücklich war, da mir mein Vermieter nur eine Katze erlaubt hat und
Katzen eigentlich nicht alleine gehalten werden sollen. Der kleine Kater, der
dann damals zu mir gekommen ist, war in seinem Wurf, sage ich mal, übrig
geblieben. Deswegen hat es ganz gut gepasst. Ich wusste aber von vornherein,
dass der auf keinen Fall alleinbleiben soll, dass ich mir eine neue Wohnung
suchen werde, wo das besser passt und mir dann auch eine zweite Katze holen
möchte. Das ist dann auch glücklicherweise so gekommen und ich hatte zwar auch
vorher schon Katzen, aber ich habe noch nie eine alteingesessene Katze mit
einer neuen vergesellschaften müssen. Da habe ich dann im Vorfeld sehr viel
darüber gelesen und gelernt, wie man so was machen kann, wie man das machen
sollte und wie man das lieber nicht machen sollte. Und natürlich kann man ganz,
ganz, ganz viel machen, aber am Ende ist es auch immer eine Frage des
Charakters, ob die beiden dann wirklich gut zusammenpassen.
Das war also in Teilen auch eine sehr aufregende Zeit und
letztlich bin ich sehr froh, sagen zu können, dass die beiden mittlerweile sehr
innig im Team unterwegs sind. Einer von beiden läuft auch gerade hier auf dem
Schreibtisch rum und schiebt meinen Kugelschreiber hin und her. Die beiden sind
witzigerweise ganz unterschiedlich vom Charakter und gerade deswegen bin ich
umso glücklicher, dass sie sich doch bis auf ein paar kleine Ausrutscher hier
und da über den Tag hinweg wirklich sehr, sehr lieb haben und als Team so gut
funktionieren. Um ein Zweier-Team geht es auch heute in der heutigen
Podcast-Folge. Ich spreche mit einem Teil dieses Zweier-Teams. Ich spreche
nämlich mit Arn Sauer vom Direktorium der Bundesstiftung Gleichstellung. Hallo
Arn, schön, dass du da bist.
Arn Sauer:
Ja, hallo.
Natascha Heinisch:
Du bist ja Teil einer Doppelspitze in der Bundesstiftung
Gleichstellung zusammen mit der Lisi Meier. Vielleicht kannst du uns zunächst
mal erzählen, wie macht ihr das? Wie teilt ihr euch eure Aufgaben? Habt ihr
verschiedene abgesteckte Themenfelder? Wie entscheidet ihr auch vielleicht
Sachen? Was macht ihr, wenn du mal eine Meinung hast, die die Lisi gar nicht
vertritt? Was sind eure Herausforderungen? Das würde mich direkt zu Anfang
besonders interessieren.
Arn Sauer:
Ja, danke für diese schöne Frage. Lisi und ich sind seit
November 2021 das erste Gründungsdirektorium, dieser neu gegründeten
Bundesstiftung und kannten uns tatsächlich auch nicht. Wir sind in einem
Auswahlverfahren zusammen besetzt worden und haben uns auch wirklich erst so
richtig am ersten Arbeitstag kennengelernt. Aber ich kann schon mal
vorwegnehmen, es gab noch gar nicht so viele unterschiedliche Meinungen
zwischen uns beiden, weil wir uns erstaunlich gut ergänzen. Das ist wirklich
für mich auch persönlich ein großer Segen, diese Doppelspitze haben zu können,
weil gerade in der Aufbauarbeit ist ja so vieles gleichzeitig zu tun. Das ist
mir manchmal unbegreiflich, wie das eine Person an der Spitze alleine überhaupt
machen kann. Und natürlich haben wir auch von Anfang an Arbeitsteilung
verabredet. Wir haben ein Errichtungsgesetz und auch eine Satzung und da steht
drin, ab welchen Beträgen, nämlich 10.000 €, wir zusammen entscheiden müssen.
Also da müssen wir auch immer zusammen entscheiden. Und alles, was finanziell darunterliegt
oder auch keine jetzt direkten finanzwirksamen Auswirkungen hat, das haben wir
uns aufgeteilt. Also da gibt es dann jetzt auch mittlerweile einen
Geschäftsverteilungsplan, ganz ordentlich, wie sich das gehört als
Bundesverwaltung. Da kann man das nachlesen. Das haben wir auch unseren
Mitarbeitenden kommuniziert.
Und wir treffen uns jede Woche zu unserer
Direktorium-Sitzung, zur Organsitzung – das nennt man ein Organ, das ist das
Direktorium – und bespreche dann in zwei Stunden möglichst strukturiert,
präzise, die ganzen Punkte, die anstehen, was aber nicht bedeutet, dass wir
daneben nicht auch noch Gesprächsbedarf haben. Also es gibt auch immer noch so
… Also ganz am Anfang war es natürlich … Ständig waren wir am Telefon
miteinander und haben uns abgestimmt und das ist jetzt nicht mehr ganz so
häufig, aber natürlich, wir telefonieren fast jeden Tag immer noch miteinander.
Oder ganz am Anfang saßen wir in einem Büro. Mittlerweile haben wir zwei
Einzelbüros bekommen in der neuen Liegenschaft, wo wir jetzt sind. Und da gehen
wir auch einfach mal kurz und sprechen uns ab. Also Kommunikation ist das A und
O und braucht auch Zeit. Also du hast ja gefragt, was sind die
Herausforderungen? Wir haben natürlich ganz viel zu tun und da ist es eben auch
wichtig, die Kommunikation nicht zu vernachlässigen und immer mal so ein Check-in
zu machen. Aber das geht eigentlich bei uns ganz gut und unkompliziert. Und wir
haben auch festgestellt, dass wir mit sehr komplementären Kompetenzen in diese
Stiftung und in diese Jobs gekommen sind. Wir ergänzen uns einfach ganz gut und
da kann ich jetzt auch Lisi einfach Rat fragen und weiß genau, womit sie sich
super gut auskennt und umgekehrt macht sie das auch mit mir. Das stärkt uns
eigentlich eher. Aber ja, es braucht Zeit. Die Zeit muss man sich nehmen.
Natascha Heinisch:
Finde ich superspannend, dass ihr euch vorher auch gar nicht
gekannt habt. Das ist ja dann im Endeffekt ein großer Glücksgriff, weil wenn
ihr euch jetzt nicht hättet riechen können, hättet es trotzdem irgendwie laufen
müssen.
Arn Sauer:
Dann wäre es schwierig gewesen, das stimmt. Aber ich hatte
von Anfang an einfach einen super guten Eindruck von ihr. Ich bin wirklich ein
Freund des Bauchgefühls und habe mich nicht getäuscht. Also Lisi ist einfach
wunderbar, als Kollegin mit ihr zusammenzuarbeiten. Macht richtig Spaß.
Natascha Heinisch:
Wir suchen auch immer nach so positiven Beispielen für „wo
wird eine Führungsposition gleich an zwei Leute verteilt?“. Das ist sehr schön,
dass es auch noch unter so besonderen Voraussetzungen, dass es so gut geklappt
hat, oft hört man ja „Es waren eh schon zwei Leute da, die haben sich gut
verstanden und dann haben die sich das aufgeteilt“, aber dass man auch, wenn
man am Anfang viel Kommunikation und danach weiter im Kontakt bleibt, dass sich
das gut einrichten lässt. Das heißt, ihr habt jetzt auch beide, sage ich mal,
Schwerpunkte oder was, was jetzt du mehr machst als sie und wo ihr euch dann
gegenseitig mal fragt, aber dass ihr auch so ein bisschen euer eigenes Ding
innerhalb der Führung dann machen könnt.
Arn Sauer:
Ja, genau. Zum Beispiel ist das Thema Liegenschaft finden,
also Büros, ein Zuhause für die Bundesstiftung, Veranstaltungsräume finden,
erst mal bei mir gelandet. Und Lisi hat wahnsinnig viele Kompetenzen, weil sie
auch schon vorher eine richtig tolle Führungskraft von einem großen
Jugendverband war, eben in Personalverwaltung. Da haben wir uns das so jetzt
einfach nach Kompetenzen aufgeteilt. Nicht, dass ich jetzt schon viel mit
Liegenschaft zu tun hatte, aber da habe ich mich eingearbeitet. Und da gibt es natürlich
noch ganz viele andere Themen, die wir uns aufgeteilt haben. Aber die wichtigen
Sachen, also die richtungsweisenden Entscheidungen, die strategischen
Entscheidungen und auch die über 10.000 Euro, die treffen wir gemeinsam.
Natascha Heinisch:
Ja, dann wollen wir direkt auch zur Arbeit der
Bundesstiftung Gleichstellung kommen. Auf eurer Website steht: „Die
Bundesstiftung will die Entwicklung von Lösungsansätzen beim Thema
Gleichstellung praxisnah vorantreiben und bei deren Umsetzung beraten und
mitwirken.“ Was kann ich mir darunter vorstellen? Also welche praxisnahen
Lösungen sind das beispielsweise?
Arn Sauer:
Also wir haben jetzt tatsächlich auch schon mit der
inhaltlichen Arbeit angefangen, obwohl es uns ja auch erst gerade mal
eineinhalb Jahre so wirklich gibt. Wir haben seit letztem Jahr auch überhaupt
erst alle Mitarbeitenden an Bord und trotzdem haben wir es schon geschafft, mit
so kleinen Pilotprojekten wirklich praxisnahe Lösungen vorzuschlagen. Ich hebe
jetzt einfach mal zwei hervor: Das eine ist eine Kurzstudie, die die Vorschläge
des Deutschen Juristinnenbundes aufgegriffen hat, wie Unternehmen diskriminierungsfreier
werden können. Und wir haben uns da den Bereich der Personalgewinnung angeguckt
und in dieser Kurzstudie zusammen mit dem INES-Institut, also Frau Dr. Tobsch
und Frau Dr. Schmidt – INES steht für Institut für Empirische Sozial- und
Wirtschaftsforschung – diese Studie in Auftrag gegeben und von denen machen
lassen, in Zusammenarbeit auch mit Heide Pfarr vom Deutschen Juristinnenbund.
Wir haben in dieser Studie angeguckt, was die Unternehmen tun können,
Fachkräftemangel, das große Schlagwort, um auch Frauen ein attraktiver
Arbeitgebender zu sein, Frauen davon überzeugen zu können, dass es
diskriminierungsfrei zugeht, dass man die gleichen Karrierechancen hat und das
Ganze schon bei der Personalauswahl anfängt. Und das reicht von
Stellenausschreibungen bis Platzierung und in welche Communities man das
streuen muss, bis hin zu Vorschlägen, wie man diversitätsfördernd und
geschlechtergerecht im Betrieb handeln kann mit Work-Life-Balance-Maßnahmen bis
hin zu Vereinbarkeitsfragen. Und wir haben die Vorschläge des Deutschen
Juristinnenbundes, die ja so eine regulierte Selbstregulierung empfehlen, also
jedes Unternehmen muss gucken, welches Thema für dieses Unternehmen besonders
wichtig ist. Man kann sich vorstellen, dass zum Beispiel für Kitas andere
Themen wichtig sind, als in der Metallindustrie tätige Unternehmen und dann
entsprechend in ihren internen Gleichstellungsstrategien darauf reagieren zu
können. Und in dieser Studie gab es auch noch mal einen Abschnitt zu einer
KI-basierten Personalauswahl, dass das ganz wichtig ist, wenn man mit
Softwaretools arbeitet, die man dann später auch für eine Berichterstellung
nutzen kann, wie sieht es hier aus mit der Gleichstellung zwischen Frauen
Männern, wenn man mit denen arbeitet, dann müssen die auf jeden Fall auch
diskriminierungsfrei sein. Dann haben wir natürlich auch noch was ganz
Konkretes, und das steht bei uns auch schon im Errichtungsgesetz, sofort
angefangen, nämlich die Zusammenarbeit mit kommunalen
Gleichstellungsbeauftragten. Wir sind da in einem Kooperationsprojekt mit der
Bundesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauenbüros und
Gleichstellungsstellen, die das bisher alles allein gestemmt haben, die Frauen
und Gleichstellungsbeauftragten vor Ort zu beraten, wenn die Gleichstellungsaktionspläne
entwickeln wollen. Und ein Instrument, wie man das in Gemeinden und Städten und
Landkreisen befördern kann, ist die sogenannte Europäische Charta der
Gleichstellung von Frauen und Männern. Und das ist eigentlich ein riesen
Instrument… Instrumentenkasten, aus dem sich dann auch wiederum die
Gleichstimmungsbeauftragten oder Kommunalpolitikerinnen vor Ort was rauspicken
können und sollen, was für die Gemeinde oder für die Stadt besonders wichtig
und relevant ist. Und da beraten wir auch ganz konkret jetzt, indem wir ein
Beratungsteam erst mal aufgebaut haben, schon auch die ersten Gemeinden vor Ort
und unterstützen die darin, sich da die richtigen Maßnahmen auszusuchen. Das,
würde ich jetzt mal sagen, sind so zwei Projekte, wo wir schon sehr konkret in
die Praxis gehen und diesen Wissenschaftspraxistransfer herstellen.
Natascha Heinisch:
Ihr betrachtet euch auch als Innovationsinkubator. Ein sehr
schönes Wort, wie ich fand. Ja, ich habe eine grundsätzliche, grobe Vorstellung
davon, aber kannst du zu dem Innovationsinkubator noch mal was sagen?
Arn Sauer:
Ja, also dieses geflügelte Wort hat ja eine Abgeordnete in
der Bundestagsdebatte eingebracht zur Gründung dieser Stiftung und seitdem
begleitet es uns sehr eng. Und wir sind auch noch im Prozess, das zu füllen,
das jetzt erst mal der Transparenz halber vorausgeschickt. Natürlich heißt
Innovationsinkubator nichts anderes als ein Bruttkasten für Innovationen zu
sein. Und uns liegt es sehr am Herzen, den technischen Innovationsbegriff um auch
soziale und geschlechtergerechte Komponenten zu erweitern. Bislang wird ja Innovation
immer oder häufig nur in Bezug auf Technik diskutiert und aus
Gleichstellungsperspektive wäre es aber so wichtig, ganz viele soziale
Innovationen nach vorne zu treiben. Ich kann auch gleich mal mit einem Beispiel
beginnen, was wir bei uns intern auch von Anfang an versucht haben
auszuprobieren, nämlich die feministische Führungskultur. Wir sind ja eine
brandneue Stiftung gewesen, haben jetzt ein ganz neues Team an Mitarbeitenden
zusammen, tolle Mitarbeitende, tolle Führungskräfte, aber es läuft ja trotzdem
nicht von selbst. Man muss ja auch irgendwie gucken, dass man die Werte selbst
liebt, die man vertritt. Und deswegen haben wir zusammen mit Fair Share ein
Kooperationsprojekt aufgesetzt, die mit uns noch mal richtig Grundlagenarbeit
betrieben haben. Was ist eigentlich feministische Führungskultur? Mit welchen
Führungsgrundsätzen? Ist eigentlich eher ein Organisationsentwicklungskonzept,
es geht über Führung hinaus, auch geht Agency, es geht Machtkritik, es geht
darum, dass sich alle gut wohlfühlen, gut arbeiten können und auch sich befähigt
dazu sehen, dass sie sich einbringen können in unsere Arbeit, in die Stiftung,
nicht nur in ihren Arbeitsbereich, natürlich da auch. Und wir werden das, was
wir jetzt sozusagen mit Fair Share erarbeitet haben, jetzt auch in Form einer
Selbstlernenplattform im Laufe Jahres auf unserer Webseite für alle zugänglich
machen, die so eine Art soziale Innovation oder einen neuen Führungsstil im
Umgang mit Mitarbeitenden gerne bei sich auch erproben wollen. Also es wird
dann Texte geben, paar Videos mit Praktikerinnen aus der Arbeitswelt, Lektürelisten.
Wir versuchen, das ein bisschen multimedialer aufzuziehen, Audios, und man kann
sich über einen Quiz dann auch informieren, wie gut dann der eigene
Informationsstand dazu ist. Das wird es jetzt so in der Planung und wird Ende
des Jahres dann auch umgesetzt sein.
Natascha Heinisch:
Ihr sammelt ja auch ganz viele Informationen und Fakten,
unter anderem um Forschungslücken einmal zu finden und dann zu schließen. Was
gibt es denn noch für Forschungslücken, die da drunter fallen würden, zum
Beispiel?
Arn Sauer:
Wir sind bei Gründung sehr strukturiert rangegangen an das
Thema nicht nur Forschungslücken, sondern auch das, was es schon gibt. Wir
haben am Anfang versucht, uns das Feld zu erschließen mit drei wesentlichen
Studien, einmal Akteurslandschaft und deren Themen, einmal Forschungslandschaft
und die Themen, die dort beforscht werden und einmal Awards und Preise. Um zu
gucken, wo ist der Handlungsbedarf am größten oder wo ist vielleicht auch die
Wirkung am größten. Und jetzt beziehe ich mich jetzt nur auf dieses, das heißt
bei uns das sogenannte Mapping 2, aber da geht es eben die
Gleichstellungforschung und Forschungsförderung, weil das der zweite Auftrag
war. Da haben wir uns einerseits angeguckt im Arbeitspaket 1, wie Institutionen
an Hochschulen, aber auch außerhochschulische Institutionen,
Gleichstellungsforschung betreiben von 2015 bis ’23. April ’23 war der Stichtag
und wir haben uns angeguckt: Wer macht das eigentlich? Wer sind diese
Institutionen? Und da haben wir 139 gefunden. Und welche Forschungsprojekte
bearbeiten die zu welchen Themen? Und da haben wir 507 gefunden. Und die
überwiegende Anzahl dieser Projekte, also knapp 350, sind an Hochschulen auch
verankert. Das heißt, die freie Forschungslandschaft ist da nicht so stark
vertreten. Und von all diesen Projekten hatten haben aber nur 13% einen
sogenannten expliziten Gleichstellungsbezug, das heißt, dass ein
Gleichstellungsthema wie Care, Sorgearbeit oder Entgeltgleichheit oder so im
Mittelpunkt dieser Forschung stand. Und der Rest war sozusagen sogenannte
implizite Gleichstellungsforschung. Also wenn ein Themenbereich erforscht
wurde, aber Gender Aspekte dann eben auch eine Rolle spielen, die mit beachtet
wurden. Und das ist auch richtig, es muss immer beides geben, aber wir glauben,
dass mit den 13% da auf jeden Fall noch Luft nach oben ist. Und da haben wir
haben uns auch angeguckt, welche Themen besonders oft bearbeitet wurden. Das
sind vor allem Erwerbsarbeit, Macht, Qualität der Arbeit, aber auch
Zeitbetreuung, also der ganze Care-Sektor. Also da gibt es schon sehr viel
Aktivität. Aber wir haben auch festgestellt, dass es ziemlich wenig Forschung
gibt zu Umwelt und Klima zum Beispiel und vielleicht auch Macht und Wirtschaft,
und dass man da auf jeden Fall gucken müsste, ob die Bundesstiftung da in
Zukunft einfach mehr macht. Und das, wo uns auch immer ein wichtiger Aspekt
ist, wir arbeiten ja Gleichstellung zwischen Frauen und Männern bei uns, aber
die sind ja nicht alle gleich. Und für uns ist es ganz wichtig, auch noch mal
nach sogenannten intersektionalen Merkmalen zu gucken und haben da auch
gefragt: „Wenn ihr Geschlecht bearbeitet in eurer Forschung, was spielt denn
dann vielleicht noch so eine Rolle?“.
Und die häufigsten Dimensionen, die bearbeitet wurden, waren
Alter, ethische Herkunft und sexuelle Identität. Also wir haben uns da an den
Begrifflichkeiten des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes orientiert und die
haben wir in 128 der recherchierten Forschungsprojekte gefunden. Und da ist
auch Luft nach oben, aber immerhin wird Gleichstellung jetzt nicht nur
monodimensional verwendet. Das war schon mal eigentlich ein positives Ergebnis.
Was eher selten vorkam, waren die Dimension Klasse, Religion, Weltanschauung
und Behinderung. Auch da könnte sich für unsere Arbeit in Zukunft noch mal eine
Lücke ergeben, die wir füllen könnten. Und wir besprechen das gerade auch in
diesem Jahr im Rahmen eines Organisationsentwicklungsprozesses, wo es für die
Stiftung hingeht diesbezüglich.
Natascha Heinisch:
Das bringt mich zu einer Frage, die wollte ich eigentlich
erst später stellen, aber da passt sie jetzt sehr gut dazu. Stiftungszweck ist
ja die Stärkung und Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen, was
diesem binären System jetzt entspricht. Wie geht ihr damit um? Jetzt hast du
das schon angesprochen, dass ihr noch, sage ich mal in Klammern, auf das binäre
Bild von Geschlecht festgelegt seid oder vielleicht auch nicht festgelegt. Also
wie festgelegt seid ihr zum Beispiel oder wie geht ihr damit um?
Arn Sauer:
Im Errichtungsgesetz steht, dass unser Zweck ist, die
Gleichstellung von Frauen und Männern nach dem Grundgesetzauftrag Artikel 3
Absatz 2 zu fördern und zu stärken. Gleichzeitig wissen wir natürlich, dass
Frauen und Männer noch nie homogene Gruppen waren. Deswegen,
Intersektionalität, also unterschiedliche Alter, Befähigungen, spielen da eine
Rolle, Hintergründe. Aber dass Frauen und Männer natürlich auch Transfrauen
sein können und Transmänner und dass die Intersex-Menschen, die sich eben
weiblich oder männlich fühlen, natürlich da auch mit drunter kommen unter
diesem Schirm. Und wir jetzt erst mal einen vielleicht nominell stark
personenstandsgebunden Auftrag haben, aber sich mit der Einführung des dritten
Personenstands divers natürlich neue Fragen stellen seit 2018. Und deswegen
haben wir uns dieses Jahr entschlossen, zwei Studien in Auftrag zu geben, eine
juristische und eine sozialwissenschaftliche, die sich mit der Rolle von
Geschlechtervielfalt in der Gleichstellungspolitikarbeit auch auseinandersetzt.
Ich kann die Ergebnisse jetzt noch nicht präsentieren, weil die wird gerade
erstellt, aber Ende des Jahres sind wir doch hoffentlich auskunftsfähiger. Ich
kann nur vielleicht mal ein paar Sachen ansprechen, die auch den vielen
Gleichstellungsbeauftragten oder allgemeinen in der Praxis oftmals Fragen
aufwerfen. Also was heißt das eigentlich, Antidiskriminierung versus
Gleichstellung? Dieser proaktive Gleichstellungsauftrag im Grundgesetz ist ja
sehr weitreichend. Aber auch jetzt schon haben auch nichtbinäre Menschen
natürlich einen Schutz vor Diskriminierung und Prävention, Anspruch auf
Prävention vor Diskriminierung.
Aber was passiert eigentlich mit denen in Bezug auf
Gleichstellung? Also wie verhält sich das zwischen den Gruppen Männern und
Frauen der Personenstand divers und was sind das für Menschen? Und da ist es im
Augenblick im Bundesgleichstellungsrecht so, dass die Statistik zwar geführt
wird und diversgeschlechtliche Menschen erfasst werden, aber wenn es dann die
Quoten geht, zum Beispiel, wird nur das Verhältnis zwischen den erfassten
Frauen und Männern herangezogen. Und auch da stellen sie natürlich Fragen zu
Schutzlücken oder brauchen nicht diese nicht binären, diversgeschlechtlichen
Menschen vielleicht noch mal eine besondere Form des Umgangs damit, weil die ja
eigentlich vulnerabler sind – so ist zumindest die Hypothese – im Vergleich zu
der cis-männlichen Norm, die es ja immer wieder geht bei Gleichstellung. Und da
gucken wir dieses Jahr noch mal genauer hin und hoffen dann, Ende des Jahres
auskunftsfähiger zu sein.
Natascha Heinisch:
Wir sitzen ja da so ein bisschen im selben Boot. Auch unser
Auftrag ist ja die Bearbeitung der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen und
auch wir versuchen, den intersektionalen Aspekt mit reinzubringen, aber der
Urauftrag hat halt noch diese starrere, nenne ich sie jetzt mal,
Betrachtungsweise. Ihr wollt auch Gleichstellungswissen für alle verständlich
präsentieren und aufbereiten. Worauf kommt es denn da an? Weil auch da rede ich
immer wieder mit Leuten, die sagen: „Du lebst in deiner Bubble und die Leute,
die sich da schon auskennen, die kennen sich aus und für alle anderen ist es
irgendwie nicht so relevant, was ja nicht sein soll, was für alle relevant ist.
Aber vielleicht kannst du uns da noch was zu sagen. Wie macht ihr das?
Arn Sauer:
Genau, wie machen wir das? Wir sind gerade dabei, dieses
Jahr die Webseite bei uns in den Fokus zu rücken, damit man in Zukunft dort
auch mehr und mehr Informationen findet zu allen gleichstellungspolitisch
relevanten Themen. Das ist natürlich eine Daueraufgabe. Wir bauen das jetzt
erst auf, aber wir wissen natürlich, dass das ein Spagat darstellt. Wir haben
von Anfang an – das war uns sehr bewusst – auch darauf geachtet, dass wir
Menschen bei uns haben, die nicht nur Gleichstellungswissen generieren, sondern
eben auch diesen Transfer herstellen. Wir haben schon bei der Stellenbesetzung
darauf geachtet. Und jetzt hoffen wir, dass das Früchte trägt, zusammen mit
einem ganz tollen Team der Öffentlichkeitsarbeit. Und wir wollen eigentlich
Texte anbieten, die einen allgemeinen Einstieg erst mal bieten ins Thema. Die
sind dann auch hoffentlich verständlich formuliert und auch für Menschen ohne
großes Vorwissen nachvollziehbar. Also da können sich dann auch einfach
Interessierte oder noch nicht Überzeugte vielleicht, die mal ein paar Zahlen
brauchen, überzeugt zu werden, möglichst niedrigschwellig informieren. Aber von
diesen Einstiegstexten aus gibt es dann Möglichkeiten der Vertiefung und wir
wollen auch, das nennt man so schön crossmedial heutzutage, habe ich gelernt,
also mit unterschiedlichen Medien arbeiten, was natürlich auch der
Barrierearmut dient.
Es wird Literaturlisten geben, die aktualisiert werden in
regelmäßigen Abständen. Und so versuchen wir eben, die wissenschaftliche
Evidenz, möglichst barrierearm und informativ, aber auch unterhaltsam durchaus,
und auch möglichst alltagsnah an den Menschen rüberzubringen. Das ist jetzt mal
der Plan und wir werden dort zum Beispiel auch das Thema Zeitpolitik
aufgreifen. Also wir versuchen eben auch, Themen aufzugreifen, wo es gerade
brennt, damit wir jetzt möglichst schnell auch ein bisschen mehr zur
Weiterbearbeitung dieser Themen beitragen können.
Natascha Heinisch:
Zeitpolitik wäre auch mein nächstes Stichwort gewesen, weil
unser aktuelles Kampagnenthema ja Höchste Zeit für equal pay ist. Das
kommt 2024 eben auch auf eurer Webseite dann dazu. Was wird da alles drunter fallen?
Wie kann man sich das vorstellen, wenn das dann bei euch aufbereitet sein wird?
Arn Sauer:
Zeitpolitik ist für uns ein ganz wichtiges Feld, weil wir
wissen, dass die Benachteiligung von Frauen, insbesondere im Erwerbsleben, sehr
stark mit Vereinbarkeits- und Care-Fragen zu tun hat. Nicht nur, aber sehr
stark. Und Zeitpolitik ist ein Feld, wo wir auch tatsächlich eigentlich
reingehen in Innovationsmodelle. Wir haben ja das Optionszeitenlabor zusammen
mit der Deutschen Gesellschaft für Zeitpolitik durchgeführt. Eins fand im
Oktober letzten Jahres statt, eins wird Mitte April dieses Jahres stattfinden.
Und da besprechen wir dann zusammen mit Praktikerinnen, mit
Wissenschaftlerinnen, mit interessierten und auch fachlich qualifizierten
Menschen, wie eben das Verhältnis von Arbeit und Leben über einen Lebensverlauf
hinweg besser und gleichstellungsorientierter gestaltet werden kann. Da geht es
eben darum, dass man sich Auszeiten nehmen kann, wenn jetzt zum Beispiel
Familiengründung und Kinder ins Haus stehen, aber auch später für Pflege.
Pflege wird ein Riesenthema, ist schon ein Riesenthema gesamtgesellschaftlich
und wird im Augenblick immer noch zum größten Teil auf dem Rücken der Frauen zu
tragen, wie aber auch vielleicht Ehrenamt- und persönlicher Weiterbildung
möglich sind und wie man sich Zeitbudgets dafür schafft, ohne Angst haben zu
müssen, den Arbeitsplatz zu verlieren. Das Modell hat dann atmend Lebensläufe,
also dass man auch Stunden reduzieren kann, ganz auf Pause stellen kann, je
nach Bedarf ist die Idee und wie das gegenfinanziert wird und so weiter.
Das besprechen wir in diesen Laboren und darüber informieren
wir dann auch und natürlich informieren wir dann zum aktuellen Forschungsstand.
Natascha Heinisch:
Ihr erstellt ja auch den nächsten Gleichstellungsbericht. Welches Thema hat er denn? Und kannst du schon Erkenntnisse anteasern
oder offiziell verkünden?
Arn Sauer:
Vielleicht zur Präzisierung: Wir erstellen den nicht, aber
wir haben die Geschäftsstelle, also den Bereich
Gleichstellungsberichterstattung bei uns ist jetzt in die Stiftung, integriert.
Erstellt wird der Bericht von einer Sachverständigenkommission. Die besteht aus
elf Mitgliedern, die auch immer die Bundesregierung benennt. Also auch mit der
Ernennung haben wir nichts zu tun, weil das ja ein Bericht der Bundesregierung
ist. Trotzdem haben wir natürlich bei uns auch Mitarbeitende, die fachlich
qualifiziert sind, dazu auch beizutragen und die die Sachverständigen auch
unterstützen in ihrer Arbeit. Also es ist, glaube ich, wichtig, dass man da
gegenseitig auch gut im Dialog ist. Und der Schwerpunktthema ist die
sozial-ökologische Transformation Informationen. So viel darf ich schon
verraten, aber von den Ergebnissen her kann ich überhaupt keinen Einblick
geben. A) weil auch wir als Direktorium natürlich außen vor sind, weil das ist
ein Bericht der Sachverständigenkommission und da sind wir inhaltlich fachlich auch
überhaupt nicht eingebunden. Und B) ist das natürlich auch denen überlassen,
wenn sie den Bericht an die Bundesregierung übergeben, dann die wichtigsten
Ergebnisse vielleicht selber kundzutun. Aber die arbeiten total jetzt auch mit
Hochtouren an der Berichtserstellung. Der soll bis Ende des Jahres im Entwurf
dann auch vorliegen. Also ihr müsst nicht mehr so lange warten.
Natascha Heinisch:
Ich wollte gerade sagen, dann bleiben wir gespannt und das
ist ja nicht mehr so lange. Sehr schön.
Arn Sauer:
Genau.
Natascha Heinisch:
Unser Thema ist ja immer gleiche Bezahlung für gleiche und
gleichwertige Arbeit. Inwiefern ist das Thema bei euch vertreten? Inwiefern ist
das ein Fokus vielleicht? Inwieweit überschneiden sich unsere Arbeitsbereiche?
Wo können wir mehr Synergien schaffen? Ihr schaut ja auch, dass ihr immer uns
schön promotet, aber vielleicht auch für die Zuhörenden und Zuhörer, inwieweit
ist das, was wir machen, Teil von dem, was auch ihr macht?
Arn Sauer:
Das Thema ökonomische Gleichstellung oder eine
existenzsichernde Erwerbsarbeit ist aus dem Gleichstellungsbereich überhaupt
nicht wegzudenken.
Das wissen wir und wir werden auch auf unserer Webseite dann
im Laufe des Jahres dazu Texte veröffentlichen. So care ist jetzt der erste
Text, weil wir möchten einfach noch mal den Augenmerk auf die nicht bezahlte
Arbeit legen, die die Erwerbsarbeit, also bezahlte Arbeit, überhaupt erst
möglich macht, die eine Reproduktion von Gesellschaft überhaupt erst möglich
macht. Aber wir arbeiten natürlich auch und halten auch die Zahlen vor zu
Gender Care Gap, Gender Pay Gap, zu einem Gap, den ich fast den wichtigsten
finde, nämlich den Gender Lifetime Earnings Gap, also über die Erwerbszeit
erfasst. Also nicht nur jetzt eine Momentaufnahme der Entgeltleichheit, sondern
wirklich über eine Erwerbsbiografie hinweg. Und da sind die Zahlen ja noch
niederschmetternder als die 18% Unterschied, die wir sehr persistierend haben
zwischen den Geschlechtern. Der liegt ja im Augenblick bei knapp 50% der Gender
Lifetime Earnings Gap. 50%, das muss man sich mal auf der Zunge zergehen
lassen. Das kann man eigentlich als Gesellschaft nicht dulden, insbesondere
nicht, wenn man weiß, dass Familienmodelle auch abseits der heterosexuellen Ehe
immer mehr an Bedeutung gewinnen. Wir reden jetzt gerade über eine Reform im
sozialen Familienrecht, die dann auch noch mal die Verantwortungsgemeinschaft
auch darüber hinaus definieren wird. Und da stellen sich natürlich Fragen und
dazu werden wir auch beitragen. Wir haben aber auch noch ein anderes Format,
das heißt Gleichstellung on Tour, und wir gehen mit diesem Format dann raus aus
Berlin. Wir kommen vor Ort und orientieren uns da immer an den Bedarfen der
lokalen, meistens Gleichstellungsbeauftragten, aber auch
Kommunalpolitikerinnen, was sie vor Ort einfach wichtig finden. Und auch da
wird Entgeltgleichheit auf jeden Fall eine Rolle spielen.
Natascha Heinisch:
Wie ist das bei der Bundesstiftung? Seid ihr in den
öffentlichen Dienst eingegliedert, oder wie ist das mit euren Gehaltmodellen
mal ganz blöd gefragt, mit wenn jemand mal Elternzeit nimmt oder wie auch
immer? Wie ist das bei euch?
Arn Sauer:
Wir sind keine Behörde, aber eine sogenannte mittelbare
Bundesverwaltung und als solche schon öffentlicher Dienst, aber
tarifvertraglich orientiert. Wir bezahlen und orientieren uns in Anlehnung an
den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes. Wir haben aber keine Beamtinnen
oder Beamten. Deswegen kann bei uns nicht befördert werden oder so, aber
dadurch, dass wir tariflich unsere Mitarbeitenden in ein Gruppieren, haben wir
da eine hohe Transparenz in der Gehaltsstruktur. Also das ist dann einfach
vorgegeben. Tarifverträge sind in sich natürlich auch nicht
diskriminierungsfrei, möchte ich auch noch mal vorwegschicken. Auch da, liebe
Gewerkschaften, stehen wir gerne für Diskussionen zur Verfügung und trotzdem
ist es ein ganz, ganz wichtiger Schritt hin zu mehr Gleichstellung und zu einem
transparenten Lohngefüge. Und die sind ja auch befreit von der
Berichterstattung deswegen. Man hat allerdings aber auch schon in Kommunen
insbesondere festgestellt, dass auch da nicht gleiches Geldvergleich oder
gleichwertige Arbeit fließt immer. Also das sollte man nicht als gegeben
voraussetzen.
Natascha Heinisch:
Definitiv nicht. Kann ich als Person, die aus dem
öffentlichen Dienst kam, dann eine Weile was anderes gemacht hat und dann, wie
wieder in den öffentlichen Dienst eingestiegen ist und der dann bei der
Entgelteingruppierung, also innerhalb einer Entgeltstufe, kann man dann
aufsteigen, dann wurde mir gesagt, dass ich wegen einer schädlichen
Unterbrechung in meinem Lebenslauf wieder in Stufe eins gruppiert werde, obwohl
ich schon in Stufe drei war. Die schädliche Unterbrechung war, dass ich halt
was anderes gearbeitet habe – und selbst wenn ich nichts gearbeitet hätte, ja,
auch da gibt es … Ja, ja.
Arn Sauer:
Dann hast du diese zwei Jahre überschritten und dann fängt
man wieder von vorne ab. Richtig, genau. Genau. Oder die Stufenhemmung in
Elternzeit. Also wenn man an den Elternzeiten oder als Sabbaticals als Auszeit
nehmen muss, vielleicht auch für Pflege oder möchte, auch dann bleibt die
Erfahrungsstufe stehen und der Unterschied in Tarifverträgen wird ja immer über
die Stufen wirksam. Also je nachdem, was bei Einstieg anerkannt wird oder wie
dann die Erwerbsbürokratie fortschreitet, schleppt man ja quasi dann diese
Nachteile mit sich mit. Die kann man dann auch nicht mehr aufholen. Das tut mir
leid. Genau deswegen sind Tarifverträge auch verbesserungswürdig.
Natascha Heinisch:
Auf jeden Fall, auf jeden Fall. Ich würde total gern noch
mit dir über das Haus der Gleichstellung sprechen, weil das auch intersektional
aufgestellt ist und zum Beispiel soll junge Initiativen und Gruppen aus ganz
verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen, also Migration, Alter, Behinderung,
trans, interne, nichtbinär, queer, für alle offen sein. Wird der jetzt neu
eingerichtet? Wie weit ist das jetzt schon? Was waren vielleicht die Gedanken?
Wie ist es zu der Idee gekommen? Und vor allem auch, wie erreicht ihr diese
Gruppen? Weil auch da hatten wir es ja vorhin schon von „Man erreicht oft die
Bubble, die einen eh schon kennt“ und die, die eigentlich am meisten davon
profitieren sollten oder die am interessantesten wären, zu denen kommt man
nicht hin oder nicht so gut wie man möchte, zumindest.
Arn Sauer:
Ja, auf jeden Fall eine kontinuierliche Herausforderung, der
wir uns aber zumindest bewusst sind. Das ist ja schon mal ein guter Anfang.
Leider ist unser offenes Haus der Gleichstellung noch nicht offen, weil sich
der Liegenschaftsbezug verzögert hat. Die Umbaumaßnahmen haben länger gedauert,
aber wir haben dort auf jeden Fall jetzt einen Veranstaltungsraum für circa 100
Personen und wir haben auch Co-Working-Büros mitgedacht für insgesamt sechs
Co-Worker:innen und wir hoffen, dass wir es mit der Einrichtung der
Konferenztechnik und so weiter dann schaffen, das im Laufe dieses Jahres auch
wirklich zu eröffnen und nutzbar zu machen. Aber wir haben uns ja auch schon
durch unseren ersten Gleichstellungstag vernetzt. Den hatten wir ja gleich dann
auch im Dezember gefeiert, am 6.12. Und auch da war es uns ein Anliegen,
möglichst unterschiedliche Gruppierungen, gesellschaftliche Gruppen, aber auch
Status- und Akteursgruppen anzusprechen und da eine gute Mischung herzustellen.
Ich glaube, mit dieser Vielfalt haben wir uns schon auch einen Überblick
verschaffen können und hoffen, dass es sich auch einfach rumspricht, dass wir
ansprechbar sind. Und das ist uns ganz wichtig, dass wir dann auch proaktiv auf
Gruppen zugehen, die vielleicht bislang unterrepräsentiert sind. Zum Beispiel
haben wir schon mit Leistungsbeauftragten für Menschen, die in Werkstätten
arbeiten, also Menschen mit Beeinträchtigung gesprochen oder auch dem
Weibernetz, die sich da immer sehr stark einsetzen oder auch die
Frauenhauskoordination.
Das sind so wichtige Akteurinnen, die sonst vielleicht nicht
so viel Aufmerksamkeit bekommen und das ist uns total bewusst, dass wir eben
besonders noch mal auf die vulnerableren Gruppen und Themen gucken müsse
Natascha Heinisch:
Ja, ich höre schon, es passiert ganz, ganz viel, es ist ganz
viel in Bewegung, sehr schön. Gegen Ende des Podcasts frage ich meine Gäste und
Gästinnen immer, ob sie eine, normalerweise frage ich weiblich gelesene Person,
aber es kann gerne auch noch weiter geöffnet sein, eine Person, das kann aus
Kultur, Wirtschaft, Kunst, wie auch immer sein, die mehr Bekanntheit vielleicht
haben sollte, über die man sich mehr informieren sollte, weil sie faszinierend
wichtig ist und vielleicht noch nicht bekannt genug.
Arn Sauer:
Darf ich zwei sagen?
Natascha Heinisch:
Ja, wir haben auch öfter mal zwei. Du darfst gerne auch zwei
sagen
Arn Sauer:
Ja, dann würde ich wirklich gerne erst mal Karin Hausen
nennen.
Das ist eine Historikerin, die auch mich persönlich stark
geprägt hat. Ich habe ja auch mal Geschichte studiert und Politologie und
haderte so ein bisschen auch mit meinem Geschichtestudium lange Zeit, weil das
natürlich sehr patriarchal-kulturell geprägt war oder wahrscheinlich auch immer
noch ist. Und sie hat an der Technischen Universität in Berlin das Zentrum für
interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung gegründet und dort, ja,
Frauenthemen ins Zentrum der Geschichte gerückt. Und da war ich eigentlich steter
Gast und habe dann später auch das Zertifikat dort abgelegt. Und sie ist auch
eine, die wirklich die Geschlechterforschung in Deutschland vorangebracht hat.
Die hat schon 1976 den Aufsatz „Die Polarisierung der Geschlechtercharaktere“
veröffentlicht. Das war eigentlich eine auch historische Rückschau darauf, dass
es nicht schon immer so war, dass das Häusliche, Private so stark vom
Öffentlichen und vom Erwerb getrennt war, sondern dass Erwerb und Familienleben
einfach früher viel mehr Hand in Hand gingen und gehen mussten. Und welche
Auswirkungen diese Polarisierung hat, bis heute, haben wir heute auch schon
mehrfach angesprochen. Also Gender Care und Pay Gap sind sozusagen die Zahlen,
die das immer noch zum Ausdruck bringen. Und der war bahnbrechend, dieser Aufsatz.
Und außerdem ist eine wunderbare Lehrerin und ein ganz großartiger Mensch.
Also mit Karin Hausen unbedingt sprechen. Und dann finde ich
ihn auch sehr beeindruckend, weil ich ja sozusagen als so genannter
biodeutscher Mittelschicht, also meine Eltern haben auch Ausbildungsberufe nur
gehabt, aber ich sage mal, ich bin eher Mittelschichtskind, groß geworden bin
in einem Westdeutschland, das auch in den 90er Jahren eigentlich kaum Vielfalt
in der medialen Repräsentation kannte und da stach Mo Asumang raus. Die hat
früher ganz viele Sendungen moderiert, die ich toll fand und die macht mittlerweile
selber als Produzentin Dokumentarfilme und ist im medialen Raum eine, die sich
auch selber glaubwürdig für Gleichstellung und Vielfalt einsetzt. Und ich
bewundere sie auch für ihren Mut, als Frau of Colour, als Deutsche of Colour,
zum Beispiel reinzugehen und mit amerikanischen Ku-Klux-Klan-Anhängern zu
sprechen, zum Beispiel. Sie scheut die Auseinandersetzung mit den sogenannten Andersdenkenden
nicht und begibt sich da mittenrein in all ihrer Vulnerabilität und das finde
ich einfach unglaublich stark.
Natascha Heinisch
Vielen Dank für deine zwei sehr tollen Tipps. Jetzt kommt
noch unsere allseits beliebte Abschlussfrage: Was bringt dich aktuell zum
Fauchen und was bringt dich zum Schnurren beim Thema equal pay?
Arn Sauer:
Oh je, fauchen und schnurren zusammen. Okay, na das
probieren wir noch mal. Also ich fange mal mit dem Schnurren an, weil es ist ja
jetzt nicht alles schlecht. Es gab auch schon wirklich viele Fortschritte. Halt
leider geht es immer zu langsam und wir haben einen Rollback gerade oder
befürchten den und da bin ich schon wieder beim Fauchen. Aber jetzt sage ich
erst mal, was ich gut finde. Ich finde gut, dass wir seit 2006 das allgemeine
Gleichbehandlungsgesetz haben, wo die gleiche Bezahlung für gleiche oder
gleichwertige Arbeit auch einklagbar wurde. Fauchen: Es ist noch viel zu
unzureichend ausgestattet in den Sanktionsmechanismen. Schnurren: Ja, es ist
super, dass wir seit 2018 ein Entgelttransparenzgesetz haben. Fauchen: Auch das
ist natürlich noch stark verbesserungswürdig, aber da schnurre ich schon in
Erwartung der Umsetzung der europäischen Entgelttransparenzrichtlinie, weil wir
es einfach nicht mehr länger hinnehmen können, dass wir diese 18% Lohnlücke
haben. Oder der Gender Care Gap ist ja auch bei 22% ab dem Alter von 40 und
wird dann auch nicht mehr kleiner. Das müssen alle wissen, die jetzt 18 sind in
dem Berufseinstieg, auch wenn ihr das im Augenblick noch nicht merkt,
spätestens bei der Familiengründung oder wenn dann Pflegethemen dazukommen, dann
geht die Schere eben auseinander und dass das Thema Care auch noch nicht bei
Männern gut genug angekommen ist, das bringt mich auch zum Fauchen.
Und was ich auch noch echt wichtig finde, ist, dass wir
Gleichstellung zwischen Frauen und Männern eben auch noch mal uns genauer
angucken. Also Menschen mit Behinderungen haben in viel höheren Pay Gaps, sind
unterbeschäftigt, das wissen wir. Ähnlich geht es LGBTI-Personen, mit Ausnahme
von Frauen diesmal. Also homosexuelle Frauen verdienen im Schnitt sogar etwas
mehr als heterosexuelle Frauen.
Natascha Heinisch
Ah, wieder was gelernt.
Arn Sauer:
Was zum Schnurren, ja. Aber das ist wirklich die Ausnahme.
Also dass auch in solchen Bereichen einfach mehr für Gleichstellung getan wird.
Das finde ich total super.
Natascha Heinisch:
Gibt es sonst noch was, was du auf jeden Fall in dieser
Folge noch loswerden wolltest an die Welt da draußen?
Arn Sauer:
Ja, wir reden ja schon so lange über diese Themen und wir
dürfen nicht aufhören, über diese Themen zu reden und sie gewinnen ja noch mehr
an Wichtigkeit. Für uns ist es ein Gerechtigkeitsthema, ganz klar. Unser
Grundgesetz gibt das vor, die Realität sieht anders aus. Aber jetzt im
Augenblick haben wir einen Führungskräftemangel, einen Fachkräftemangel. Wir
haben den Pflegenotstand. Wir haben im Gesundheitssystem gravierende Probleme,
da wo viele Frauen schon beschäftigt sind. Und Frauen sind diejenigen, die
außerhalb von Migrationen noch dazu beitragen könnten, weil sie eben noch
unterbeschäftigt sind, wegen Care-Arbeit diese Lücken zu füllen, aber eben auch
so zu füllen, dass es für die Frauen auch machbar ist. Und wir dürfen nicht in
eine reine Ökonomisierung dieser Diskussion einsteigen. Wir können sie nutzen,
noch mal als Treiber, um diese Diskussion nach vorne zu bringen, aber ich
möchte auch in einer Gesellschaft leben – ich selber auch – wo Arbeiten auch
vereinbar ist mit privaten Familie, Ehrenamt, wie auch immer. Und das wäre mir
noch mal ein Anliegen, dass wir gesamtgesellschaftlich da drauf gucken und
nicht wieder zurück in die Retraditionalisierung von Geschlechtern und
Familienmodellen rutschen.
Natascha Heinisch
Ganz, ganz wichtige Worte. Vielen Dank dir. Wenn ihr da
draußen noch Fragen an uns habt, dann könnt ihr die uns wie immer gerne stellen
an info@equalpayday,de und uns wie immer auch sehr gerne folgen auf Social
Media unter dem Hashtag #epd. Hast du irgendwelche Hashtags, die du noch
loswerden möchtest? Wie finden Leute euch? Wo können sie euch folgen?
Arn Sauer:
Auf Insta findet man uns unter bs.gleichstellung – kommt
vorbei, schaut es euch an. Wir sind auch auf LinkedIn vertreten und unsere
Webseite ist www.bundesstiftung-gleichstellung.de.
Natascha Heinisch
Dann sage ich Dankeschön und bis zum nächsten Mal. Tschüss.
Arn Sauer:
Ja, ciao. Danke.