Wir wollen in unserem Podcast darüber sprechen, was passieren muss, damit in Deutschland Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Arbeit endlich auch gleich bezahlt werden.
Wie stellen wir die Weichen auf gerechte Bezahlung in der Arbeitswelt von morgen? Wie schaffen kürzere Arbeitstage gleiche Karrierechancen für Frauen und Männern? Was erfahren wir aus den Drehbüchern für Filme und Serien über unsere Vorstellungen von der Arbeit? Und wie wird IT inklusiv? Das alles wollen und noch viel mehr wir mit diesem Podcast herausfinden.
Wir freuen uns, wenn Ihr Mal reinhört! Garantiert ohne Kater danach!
Alle Folgen hier.
Natascha Heinisch:
Ein Motiv, mit dem wir an vielen Stellen immer wieder gespielt wird, ist, wie das wohl wäre, wenn man mit einer jüngeren Version des eigenen Selbst sich unterhalten könnte. Manchmal ist es dann ganz konkret in Form von einer Zeitreise bei Filmen und Serien, manchmal im übertragenen Sinne bei Liedern zum Beispiel an das eigene jüngere Ich. Und in der Psychotherapie zum Beispiel ist ja auch die Arbeit mit dem inneren Kind ein sehr bekannter Ansatz. Wenn ich jetzt die kleine oder die jugendliche Natascha treffen könnte, wäre die dann enttäuscht, weil ich jetzt stramm auf die 40 zugehe und immer noch keinen Oscar gewonnen habe? Oder fände sie mich auch irgendwie cool, weil ich mal geholfen habe, Baby-Seehunde zu retten? Das ist eine Frage, wo ich an dieser Stelle keine Antwort drauf habe. Aber was ich sagen kann ist, dass ich heute mit jemandem spreche, die schon ansetzt, bevor die Menschen erwachsen sind und sich mit ihren jüngeren Versionen auseinandersetzen. Und zwar spreche ich heute mit Cora Guddat, die als Theaterpädagogin mit jungen Menschen eine ganz tolle Rolle in mehrerlei Hinsicht im Leben von Kindern und Jugendlichen spielt.
Cora ist außerdem Performancekünstlerin und auch Empowerment-Coach und sagt gleich am besten selber was zu sich. Hallo Cora, herzlich willkommen und schön, dass du da bist!
Cora Guddat:
Hallo Natascha, ich freue mich, dass ich da sein darf.
Natascha Heinisch:
Das Wichtigste zu dir zuerst für die Menschen, die dich noch nicht kennen. Wer bist du? Was machst du? Was sollte man über dich wissen?
Cora Guddat:
Also, ich bin vor allem Berlinerin. Ich bin Theaterpädagogin, Performerin, Empowerment-Trainerin, seit neuestem auch Mediatorin und arbeite im Kunst- und Kulturbereich in Berlin zu Themen wie Diskriminierung und Vorurteile und auch als politische Bildungsreferentin an Berliner Schulen.
Natascha Heinisch:
Was war deine Motivation, dass du dich mit Diskriminierung, struktureller Diskriminierung, dass du das zu deinem Thema gemacht hast?
Cora Guddat:
Das ist so: Meine Mutter macht Antidiskriminierungsarbeit, seit ich denken kann. Zumindest ist sie Pädagogin und hat auch einen Verein gegründet und alles und arbeitet im Antirassismusbereich schon seit sie in Berlin lebt. Und ich wollte als Kind natürlich immer mich dolle abgrenzen von allem, was Eltern machen. Ich wollte gerne Schauspielerin werden und das hat mich alles überhaupt nicht interessiert, was meine Mutter so macht. Und nachdem ich dann Schauspiel gemacht habe und dann auch in den Bereich Theaterpädagogik gehen wollte, hat meine Mutter mich gefragt, ob ich mir denn nicht mal vorstellen könnte, theaterpädagogisch mit dem Thema umzugehen und einen Workshop zu leiten. Das habe ich gemacht, das hat mir unheimlich viel Spaß gemacht. Und dann habe ich mit einer Mädchengruppe in Kreuzberg gearbeitet. Das waren alles Kids of Colour, alles Mädchen of Colour. Und in der Zusammenarbeit gemerkt, wie sehr doch dieses Thema irgendwie auch relevant für mich selbst ist und wie wichtig diese Arbeit war. Insgesamt. Für mich, für die. Und das war einfach so ein Moment, wo ich dachte okay, ich will damit weiterarbeiten.
Natascha Heinisch:
Wo ist denn die Diskriminierung im Kulturbereich besonders hervorstechend? Was würdest du sagen, wo? Es gibt ja auch eine ganz große Diskussion, wo Diskriminierung anfängt, weil für weiße Menschen, „das war doch gar nicht bös gemeint, das war ja jetzt gar nicht so schlimm“. Was würdest du sagen, wo beginnt das und wo ist es besonders eklatant?
Cora Guddat:
Das ist eine super spannende Frage, weil da ist ja wirklich: Wo fängt Benachteiligung überhaupt an? Und das ist meiner Meinung nach überall da, wo Ausschlüsse passieren und das ist ja ganz klar schon, wer ist überhaupt da. Wer kommt überhaupt zu den Veranstaltungen? Wer besucht eine Galerie? Wer ist überhaupt irgendwie relevant vor Ort? Wer macht die Veranstaltung? Was auch immer es für eine Veranstaltung ist im Kulturbetrieb und da passieren Ausschlüsse ja schon für Kinder. Quasi, weil es Kinder gibt, die haben Musikinstrument gelernt, die gehen mit ihren Eltern ins Theater, die kennen Kunst und Kultur, vor allen Dingen in Deutschland. Das Wort Hochkultur gibt es hier auch. Die haben Zugänge dazu und andere, die haben das nicht. Und die sehen dann auch für sich, das ist nichts für mich, das ist überhaupt für mich nicht relevant für mein Leben, für mein Vorankommen. Und es gibt dann halt Fernsehen und da findet dann Kultur ganz viel auch statt, auch über Musik. Natürlich gibt es Zugänge, aber Orte, gerade wo wir in Berlin sehr viele Orte haben, die werden von ganz vielen Leuten gar nicht wahrgenommen.
Und dieser Ausschluss, den finde ich total wichtig. Den klar zu machen, weil man sich da ja auch Generationen ausbildet, die immer wieder die gleichen sind. Also es sind immer wieder die gleichen Akademikerkinder, die wieder auch in diese Berufe kommen und überhaupt, aber auch konsumieren. Ich denke, das sind auch Konsument:innen häufig aus der gleichen Bubble würde ich sagen.
Natascha Heinisch:
Das heißt, du und deine Arbeit ist auch eine Aufgabe, dass du Räume schaffst, einfach andere Räume zur Verfügung stellst, wo dann Kunst passieren kann, oder? Wie thematisierst du Fragen von Rassismus, Feminismus in deiner Arbeit?
Cora Guddat:
Ja, genau. Ich glaube symbolisch ist Barrierefreiheit immer so mit einer Rampe gesehen. Da muss eine Rampe hin, um Rollstuhlfahrer:innen das zugänglich zu machen. Und das ist halt so viel mehr. Es ist Sprache und es sind halt ganz viele Dinge, die in unseren Kunst und Kulturräumen in Berlin hier stattfinden, die Ausschlüsse produzieren, die vielleicht gar nicht so sichtbar sind und die man eben nicht mit einer Rampe herstellen kann, sondern einfach auch mit. Man muss zugehen auf Menschen und das für Menschen auch relevant machen. Warum ist das relevant für mich? Weil die Themen, sich mit den Themen auseinanderzusetzen hat. Relevant ist für alle Immer. Und eine Sache also ich arbeite in einem Theaterkollektiv als Performerin und eine große Sache, die wir machen, ist Theater im öffentlichen Raum. Das heißt, wir gehen wirklich in Parks und spielen und spielen dann für Leute, die kommen, weil sie es irgendwo gesehen haben auf Social Media. Aber wir spielen auch für die Leute, die einfach vorbeikommen. Und da sind auch wohnungslose Menschen dabei, die dann da ihr Bierchen trinken und irgendwas da mal rein grölen.
Aber da findet halt ein Austausch statt. Das ist natürlich auch eine kleine Utopie. Manchmal funktioniert es, manchmal funktioniert es nicht. Aber ich finde schon manchmal diese Räume zu betreten. Also so was wie ein Theater zu betreten, ein Museum zu da reinzugehen. Überhaupt ist halt für manche Leute eine Hürde, weil sie denken, das ist nichts für mich. Und wenn mehr Dinge im öffentlichen Raum stattfinden, so auch so wie Street Art zum Beispiel, wo man Graffitis sieht und Kunstwerke draußen sieht, dann sind die Zugänge halt leichter und dann kann man sich darüber anders austauschen, denke ich. Das heißt ja nicht, dass es nur draußen stattfinden muss, aber es ist eine Möglichkeit oder eine, die ich nutze und nutzen will.
Natascha Heinisch:
Was für Rückmeldungen bekommt ihr da? Ich habe auch mal mit einer Theatergruppe haben wir im Freien geprobt und das war auch immer ganz spannend, weil dann Leute, die da sitzen, sagen: Ach, ich habe euch den ganzen Abend zugehört, das ist ja ganz spannend, was ihr macht. Was kriegt ihr so für Rückmeldungen, wenn ihr das macht?
Cora Guddat:
Ja, die sind ganz unterschiedlich. Also häufig eigentlich eher positive Rückmeldungen. Ganz toll ist vor allen Dingen Kinder, die teilweise die Inhalte überhaupt gar nicht verstehen. Wir arbeiten auf Englisch und Deutsch auch. Also es ist ganz viel auch Englisch. Sprache ist ja auch so ein Thema, das ist für viele zugänglich ist und die Kinder tanzen auch da manchmal mit rein, machen quasi mit. Für manche ist es Störung, aber für uns ist es halt einfach ein Auseinandersetzen damit und dann müssen wir auch improvisieren und deswegen sind halt die Rückmeldungen eher sehr positiv. Wir hatten tatsächlich auch so Publikumsdiskussionen danach irgendwie in der Hasenheide, wo wir mit den Leuten über das Thema, was wir gerade bearbeitet haben, geredet haben. Und da waren Menschen dabei, die haben gesagt, sie waren noch nie in ihrem Leben im Theater. Das ist natürlich in dem Moment so, da fühlt man sich so ganz toll und denkt so: Boah, Jackpot, wir haben wirklich Leute erreicht. Aber ja, auch so ganz doll Intellektuelle, die sich dann mal freuen, im Park zu sitzen, gibt es halt alles das.
Ja, das macht unheimlich Spaß. Es ist schön, mit Menschen in Austausch zu kommen, auch danach. Und da finde ich auch dieses Vermittlungsformat bei Theatervermittlung. Aber das gibt es ja auch in anderen Kulturbetrieben. Ich habe auch häufiger so Museumsführungen mitgemacht und auch kritische. Und das fand ich immer so viel spannender als die Ausstellung selber. Eigentlich den Austausch danach oder darüber währenddessen.
Natascha Heinisch:
Du hattest auch gesagt, du bist Empowerment-Coach. Empowerment ist auch so ein ganz wichtiges Thema, was also auch finde ich egal in welchem Alter man schon ist. Für junge Menschen natürlich umso mehr. Was für Ratschläge gibst du denn an einen Jugendlichen, eine Jugendliche, Mädchen, Frau, wenn die sich auf den Weg machen wollen zu mehr empowered sein?
Cora Guddat:
Ja, genau wie du sagst. Es ist ja so ein Riesenbegriff und es geht um Selbstermächtigung. Und ich finde, Selbstermächtigung ist auch schon so ein großes deutsches Wort. Und für mich geht es voll viel erstmal darum, die eigenen Bedürfnisse überhaupt zu kennen. Ich glaube, das ist etwas, was wir in der Schule oder in diesem ganzen System in unserer Gesellschaft einfach häufig gar nicht lernen, unsere eigenen Bedürfnisse zu kennen und damit auch unsere eigenen Stärken zu kennen, mit denen wir dann überhaupt erst unsere Potenziale entwickeln können. Und da denke ich, das ist so ein bisschen darauf, halt, den Fokus zu legen, zu sagen, ich muss meine Bedürfnisse kennen, um weiterzugehen und auch Dinge einzufordern. Ich glaube, als Frauen, Mädchen sozialisierte Menschen haben häufig das Problem, dass sie entweder ganz stark sein müssen, weil die Situation das gerade erfordert oder einfach in so eine passive Haltung gedrängt werden. Und aus dieser Passivität rauszukommen, ist auch häufig gar nicht so leicht. Und mein größter Ratschlag ist wirklich Banden bilden, mit anderen Leuten zusammenkommen, über Dinge wirklich quatschen und ehrlich sein mit sich selbst.
Und auch wenn wir über den Begriff Selfcare sprechen, also dieses Wort, wo man sich um sich selber kümmert, ist auch ernst zu nehmen und nicht mit einer Gesichtsmaske und einer Badewanne, sondern auch wirklich zu gucken, wo brauche ich Pausen und wo brauche ich Hilfe, Wo brauche ich vielleicht auch andere, die mir beiseite stehen und andere, mit denen ich Austausch haben kann? Ich finde, das größte ist wirklich so Zusammenhalt und ich wachse daran, bis heute mich mit anderen Menschen auszutauschen.
Natascha Heinisch:
Also dieses „was will ich und auch was darf ich wollen?“. Gerade bei Frauen ist es „Darf ich mir das überhaupt erlauben? Darf ich mir das rausnehmen?“. Und da dann Bestärkung auch durch andere zu bekommen in der Gruppe, dass es okay ist zu sein wie man ist, weil man ja auch durch die Gesellschaft andere Dinge mitgegeben bekommt. Durchbeißen, weitermachen, nicht um Hilfe bitten, wie du gesagt hast, stark sein, weil es nicht anders geht und es einfach durchziehen.
Cora Guddat:
Ja, voll. Ich finde genau was du sagst. Dieses stark sein, weil es nicht anders geht. Und auch dieses „ich darf das nicht, kann das nicht“. Ich weiß nicht, wie es dir in der Schule gegangen ist, aber ich dachte halt na ja, also das Mathe ist halt nichts für mich. Ist ja auch ganz klar, weil wird mir auch suggeriert, ist halt kein Mädchenfach. So, so ein Quatsch. Also so wirklich, was uns ganz früh eingebläut wird und dann haben wir das internalisiert: Das kann ich nicht, das kann ich nicht. Ein Fahrrad flicken kann ich nicht. Ja, ich bin halt auch eine sehr faule Person. Dann ist auch gut, wenn ich sage Fahrrad flicken kann ich nicht, weil ich bin ja auch faul. Aber an sich ist es ja was, was wir alle lernen können.
Natascha Heinisch:
Genau. Ich wollte gerade sagen also mit bei Mathe hatte ich Glück, mein Opa war Mathelehrer. Ich war tatsächlich nicht so gut in Mathe und mein Opa hat mit sehr, sehr, sehr viel Geduld und Hingabe mich zumindest immer durch das Schuljahr durchgebracht. Aber bei sowas wie handwerklichen Sachen, da habe ich manchmal gesagt ja, ich weiß ja, ich kann das halt nicht. Ich weiß einfach nicht, wie es geht, weil sich niemand weil, wie du sagst, ich hätte mir ja auch ein YouTube Video angucken können wie es geht und es dann ausprobieren können. Und als Kind hat es mir halt einfach niemand gezeigt, weil ja, der Papa macht das. Dann habe ich mich nicht damit beschäftigt und jetzt habe ich immer noch: Ja, ich kann das nicht. Dabei ist es eher: Ja, ich habe mich nicht damit beschäftigt und ich weiß nicht, wie es geht. Aber natürlich könnte ich, wenn ich mich mal damit beschäftigen würde. Ja.
Cora Guddat;
Und das gehört ja irgendwie auch zur Selbstermächtigung. Leider ja. Also dass man Dinge wirklich macht und aus dieser Komfortzone rauskommt, Dass man sich traut, Dinge zu machen, die man vorher noch nicht gemacht hat. Und häufig ist dann dieser kleine Teufel da in einem, der sagt so, nö, hast du noch nie gemacht, kannst du nicht, brauchst du nicht.
Natascha Heinisch:
Am Ende machst du was kaputt und dann ist besser, du machst es nicht. Und so weiter und so fort. Ja, genau. Umgekehrt ist es vielleicht nicht ganz das Gegenstück zum Empowerment, aber über Privilegien, oder? Also der Bereich Diskriminierung hängt ja auch immer stark mit dem Bereich Privilegien zusammen. Da würde mich total interessieren, was deiner Erfahrung nach so die Privilegien sind, wo die Leute am meisten daran knabbern, sich die einzugestehen, dass es die überhaupt gibt und die auch abzulegen oder sich kritisch damit auseinanderzusetzen, weil es einfach so selbstverständlich ist, dass man sie hat.
Cora Guddat:
Ja, das ist genau das, was du sagst Selbstverständlichkeit und Privilegien. Das ist so häufig mit Scham behaftet und gerade das Privileg Weißsein. Jeder Mensch mit den Privilegien wie halt auch Geschlecht und ethnische Herkunft, Hautfarbe, diese Dinge, die ja einfach da sind, gegeben sind, von der Gesellschaft so und so bewertet werden, sind dann in dem Zuge mit Scham behaftet und werden dann eben abgelehnt als Privilegien. Also mir geht es ja nicht besser, weil ich weiß bin, weil ich habe ja auch meine kranke Mutter zu pflegen und da auch wirklich diesen Begriff der Intersektionalität, dass es halt verschiedene Kategorien gibt, die da ineinander greifen. Und in dem Moment, wo ein Mensch nur aus Privilegien besteht, was in unserer kapitalistischen, patriarchalen Gesellschaft heißt weiß, männlich, able-bodied, cis und heterosexuell, da sind noch 20 andere Kategorien dran. Bist du trotzdem kein schlechter Mensch. Und dass das ganz häufig so gekoppelt ist. Wenn ich nur privilegiert bin, dann kann ich ja auch nur schlecht handeln. Und das stimmt wiederum nicht.
Und dass es vielmehr darum geht, wie du sagst, das anzuerkennen und auch Privilegien dann abzugeben und zu sagen hier, ich habe, ich schaffe Mit-Räume für andere und mache Türen auf für andere Menschen. Und ich sehe das ja auch, also ich finde vor allen Dingen Kunst und Kultur hat es ganz viel auch mit Bildung zu tun. Und da eben zu sehen, dass wenn wir weiter das alles so akademisieren, dann bleiben die Türen halt zu. Da kommt dann keiner rein. Und da müssen wir glaube ich alle voll viel noch dran arbeiten, da Menschen mit rein zu lassen und auch dieses Privileg der Bildung anzuerkennen und zu sehen: Oh, diese Person hat die und die Abschlüsse und deswegen ist sie da drin – das heißt aber nicht, dass deren Kunst besser ist.
Natascha Heinisch:
Also du hast gerade schon gesagt, mit dem sich der Privilegien Bewusstsein auch Räume schaffen, dass was immer mal vorkommt in unserem Podcast ist auch dieses es gibt einen Kuchen und man hat Angst, dass man von seinem Kuchen dann was abgeben muss, wenn auch andere beteiligt sein möchten. Deswegen würde ich jetzt auch überleiten zum Thema equal pay in der freien Theaterszene. Wie ist es deiner Erfahrung nach mit den Gehaltsunterschieden? Oder hast du schon mal irgendwie eine Erfahrung gemacht, wo du gemerkt hast, da hat jemand, der männlich ist, leichter vom Geld her, finanziell, aber auch ansonsten im Kunstbereich als Mann?
Cora Guddat:
Also weißt du ja wahrscheinlich auch, dass im Bereich Schauspiel es auch sehr viel mehr Frauen gibt, sehr viel weniger Rollen für Frauen, sehr viel mehr Intendanten gibt und umso höher in der Hierarchie in einem Theaterbetrieb, egal in der freien Szene oder wo auch immer das geht. Umso mehr weiße Männer, auch ältere besonders, sitzen da. Also das ist auch immer noch sehr Klischee. In Deutschland und auch in Berlin gibt es natürlich ein paar Ausnahmen und in der freien Szene ist es so, da läuft ja ganz viel über Förderanträge. Und ich muss sagen leider, dass auch wir immer dann in dieses ja, wir nehmen die Mindestbeträge, weil so bekommen wir die Fördergelder und so können wir am meisten mit den Stunden machen, die wir haben. Weil auch dieses „umso weniger Geld wir beantragen, umso eher bekommen wir das Projekt“, das ist ja auch noch mal das Ding.
Natascha Heinisch:
Also dass die Lage quasi so prekär ist, dass man schon froh ist, dass man was kriegt. Und dieses „es wäre aber gut, wenn es noch mehr wäre“, dass da die Hürde einfach zu groß ist, weil man sich denkt, da kriegt man am Ende gar nichts und dann nimmt man lieber das weniger, was sicherer ist. Also der Spatz, der Spatz in der Hand, ja?
Cora Guddat:
Auf jeden Fall. Und also ich bin ja da in verschiedenen Dingen unterwegs. Und bei der Theaterpädagogik hatte ich tatsächlich mal eine Situation mit einem Mann, der dann – wir haben über das Projekt gesprochen und der dann gesagt hat so, das Projekt mache ich jetzt als Ausnahme, aber ehrlich gesagt ist mir das viel zu wenig Geld und ich finde das unterirdisch, was ihr mir da als Projektleitung hier anbietet, ich kann zu dem Preis sonst nicht arbeiten – und für mich war das ein ganz normales Gehalt und der Mensch war jünger als ich. Muss ich auch noch dazu sagen. Und ich war dann so ein bisschen perplex und dachte so: Oh, okay, das ist für dich kein angemessenes Gehalt, hm? Und hatte dann aber auch da zu dem Zeitpunkt nicht den Mumm, noch mal darüber zu reden. Ehrlich gesagt, ich habe das dann einfach so hingenommen und das nächste Mal, also ich habe das Projekt auch wieder und wieder gemacht, habe ich es auch wieder gemacht.
Natascha Heinisch:
Also was hast du für dich aus der Situation mitgenommen, von diesem Menschen gelernt oder was machst du in Zukunft vielleicht anders? Aufgrund von der Reaktion.
Cora Guddat:
Immer über Geld zu sprechen, Wirklich, das würde ich generell in jeder Branche allen Menschen empfehlen, immer über Geld zu sprechen und auch andere zu fragen Was ist dein Stundenlohn da? Als Theaterpädagogin, was ist dein Stundenlohn da als Performer? Wer nimmt wo wie viel Geld? Ich, also die Workshops, die ich gebe zu Antidiskriminierung im Kulturbetrieb sind natürlich anders dotiert, weil das sind Eintages- oder zwei Tages-Workshops als jetzt zum Theaterworkshop mit Kindern. Das sind einfach auch unterschiedliche Preise und auch ich nehme da nicht das gleiche Gehalt für alles. Aber ich finde das wichtig, mit Kolleg:innen darüber zu reden.
Natascha Heinisch:
Du hast schon gesagt, es gibt sehr viel mehr Frauen oft im Theaterbereich. Merkt man irgendwelche Unterschiede bei Projektanträgen, zum Beispiel was das Geschlecht angeht, oder gleicht sich es in Anführungszeichen aus, weil es eben mehr Anträge durch Frauen gibt als durch Männer, weil mehr Frauen in dem Bereich arbeiten?
Cora Guddat:
Zu der Frage habe ich dann auch gleich recherchiert Wie sehen denn diese Vergabegremien eigentlich aus? Es gibt ja da einschlägige müssen wir ja nicht alles nennen, aber wenn man sich da so die Seiten anguckt, dann muss man schon sagen, dass der Männer-Frauen-Anteil eigentlich ziemlich gut verteilt ist von den Menschen, die da mitentscheiden, wer die Förderung bekommt. Also das hat Berlin zumindest als Stadt schon ganz gut im Griff.
Natascha Heinisch:
Man sagt ja oft im Kunstbereich so nach, dass Selbstausbeutung irgendwie dazugehört für die Kunst. Weil die Kunst halt einfach ein höheres Gut ist und es sich dafür dann lohnt, sich aufzuopfern. Wie siehst du das? Gehört das dazu? Weil es halt so ist? Oder weil es so mitgetragen wird? Weil es so das Bild ist, das man von der Kunst hat, das der Künstler halt arm ist und das vom Applaus dann lebt und mit wenig Brot. Aber der Applaus macht ihn so glücklich, oder sie, dass es das ausgleicht.
Cora Guddat:
Ja, beste Frage überhaupt, finde ich. Generell sollten sich alle Menschen in ihren Berufen stellen, eben weil am Ende ist es natürlich ein Privileg, als Künstlerin zu arbeiten. Wer studiert das überhaupt oder hat eine Ausbildung in dem Bereich? Wer kommt überhaupt dahin, Geld zu verdienen mit einem künstlerischen Beruf? Und das ist ja wirklich was ganz, ganz, ganz Tolles. Einfach. Und klar wäre es wundervoll, wenn das gleichgestellt wäre mit anderen Berufen. Und ich finde auch, es gehört dahin und es muss halt entlohnt werden. Menschen müssen auch essen und ihre Miete bezahlen. Und gleichzeitig finde ich es aber auch wirklich vermessen zu sagen, ich mache hier meine Kunst, guckt mich an, zahlt 7.000 €, weil ich mich hier mit Schleim bewerfen lasse, weil so viel ist meine Kunst wert. Es ist total spannend, weil es ist trotzdem so relevant, gesellschaftlich immer relevant. Vor allen Dingen, wenn das irgendwie so politische Kunst in öffentlichen Räumen und so, weil es auch Diskurse anregt, ist total wichtig, auch für unsere Gesellschaft insgesamt.
Aber da wirklich auch zu schauen, okay, ich selber, was brauche ich, wovon kann ich leben, wie jongliere ich das? Und ich mag das irgendwie nicht so gerne, wenn Menschen sich immer so als brotlose Künstlerinnen hinstellen und sagen Ja und ich kann es geht alles gar nicht. Ja, es ist bei mir auch so, aber ich finde da rumheulen echt schwierig.
Natascha Heinisch:
Ich wollte noch mal zurückkommen zu dem jüngeren Menschen, von dem du gesagt hast, der gesagt hat, er hätte gern mehr Geld. Die nachfolgenden Generationen: Arbeit, künstlerische Arbeit an Schulen, inwieweit kann man denn durch Theaterpädagogik, an Schulen Rollenstereotype, vielleicht auch bearbeiten? Wie kann ich mir so eine theaterpädagogische Arbeit mit Jugendlichen vorstellen?
Cora Guddat:
Also das kann man sich so vorstellen, dass es da ganz viel um Perspektiven geht. Und was haben wir alles für unterschiedliche Perspektiven und was bringen wir eigentlich schon mit? Also wenn ich mit zwölf bis 16-jährigen Kids und Jugendlichen arbeite, sind das ja keine hüllenlosen Menschen, sondern die haben alle schon eine Geschichte, Die haben Interessen, die bringen unheimlich viel mit. Und schon indem sie ihre Perspektiven miteinander teilen, wird dann ganz schnell klar, dass wir nicht nur unterschiedlich sind, sondern auch ähnliche Dinge brauchen und wollen. Und dann wieder dieses Wort Bedürfnisse. Darauf einzugehen und zu sehen, diese Rollenklischees und dieses binäre System, in dem wir gerade leben, schadet uns auch ganz doll, weil wir bestimmte Perspektiven nicht sehen, nicht erleben und uns da auch so ein bisschen wie so ein wie so ein Tunnelblick schaffen. Also ich bin ganz doll davon überzeugt, dass die nächste Generation da so viele Dinge besser machen wird, weil die schon anders aufwachsen und voll viel, ein anderes Verständnis dafür haben. Nicht alle, aber ich kenne inzwischen so viele junge Menschen und auch Kinder, die das binäre System einfach hinterfragen und dieses ganze Geschlechterding nicht mitmachen wollen und sagen: Nee, wenn ich Optionen habe in alle Richtungen, ist mein Leben besser. Ja, das sehe ich auch so.
Natascha Heinisch:
Ein Bekannter von mir ist auch Theatercoach und macht auch Arbeit an Schulen. Und er hat gesagt, er war auch mal in der Gruppe von lauter Jungs, so 15, 16 und ging dann so „Ja und wenn ihr dann mal eine eigene Wohnung habt und dann lebt ihr zusammen mit eurer Freundin oder mit eurem Freund“ – und niemand hat mit der Wimper gezuckt. Keiner.Das war einfach „Ja, wenn ich da zusammen wohne mit meiner Freundin, oder Ich könnte ja auch einen Freund haben“. Und er hat gemeint damals, wenn der gleiche Coach bei ihm das in der Klasse gesagt hätte, dann hätten alle Jungs Ho, ho, ho, ho, ho, ho, ho! Gelacht. Und das ist jetzt mittlerweile auch an vielen Stellen gar nicht mehr so und schön, das mitzuerleben. Hast du ein besonderes Highlight, was in einem deiner Kurse passiert ist, wo du sagst das hat mich besonders berührt, das habe ich mitgenommen oder das habe ich gelernt von einem Teilnehmer einer Teilnehmerin?
Cora Guddat:
War ein Aha, da sind immer so viele Sachen wie wir kriegen auch voll häufig so „Liebesbriefe“. Also wirklich so richtige Briefe von den Kids nach so Theaterwochen oder was auch immer. Manchmal auch nach so Wochen, so Bildungsworkshops. Ich finde immer spannend, den Austausch generell mit den Kindern und Jugendlichen, speziell zu den Machtfragen, was das eigentlich bedeutet? Die sind ja viel näher dran, auch als wir, weil sie ja autoritätsmäßig immer ihre Lehrer:innen vor sich haben und deswegen kontinuierlich mit dem Thema Macht sich auseinandersetzen müssen: Ungerechtigkeit, Noten, all diese Themen. Und die haben einen ganz anderen Zugang dazu und bringen mich auch immer wieder auf den Teppich. Tatsächlich auch was das Wort Privilegien angeht. Also wie viele Privilegien ich nämlich auch habe, im Gegensatz zu denen, dass ich so viel selbstbestimmt machen kann. Und das können Kinder einfach voll häufig nicht. Und das vergessen wir als Erwachsene, inwieweit wie die Kids wirklich in so einem System so dolle eingebunden sind. Und wir sind das gar nicht so.
Natascha Heinisch:
Ja, das stimmt. Die gute Schulzeit ist jetzt schon ewig her, aber auch im Studium immer. Jetzt hat man einen Chef vielleicht oder Chefin in meinem Fall. Aber ansonsten kann man die meisten Sachen halt einfach selber entscheiden, wie man es machen möchte und vergisst, wie es ist, wenn die Mama oder der Papa sagt Nee, das machst du jetzt nicht. Auch wenn es keinen, keinerlei rationalen Grund dafür gibt, dann muss man das. Dann muss man es hinnehmen oder sich nachts mit der Bettdecke aus dem Fenster abseilen, was ich nie gemacht habe. Aber genau da gibt es nicht viele Möglichkeiten.
Cora Guddat:
Hallo Mama, habe ich nie gemacht!!
Natascha Heinisch:
Ja, ein weiteres Thema, oder worauf wir Aufmerksamkeit lenken wollen, ist auch einfach Sichtbarkeit von Künstlerinnen, von Frauen in der Kunst. Hast du für unsere Zuhörerinnen und Zuhörer vielleicht einen Roman von einer Schriftstellerin oder eine Sängerin oder eine Regisseurin – jemand den, den du der Welt ans Herz legen möchtest.
Cora Guddat:
Hm. Also eine Sängerin. Also ich höre gerade mein neues Lieblingslied, gerade sehr aktuell ist von Doja Cat „Vegas“ und ich finde, das ist so eine Künstlerin, die auf ganz verschiedenen ebenen feministische Themen anspricht und auch eben intersektional als schwarze Sängerin. Aber ihre Texte sind super verwirrend und wenn man sich die mal wirklich gibt, was sie eigentlich da so singt, ist irgendwie genau mein Ding und ich mag das. Und ich finde, das kann man voll gut in der vor allen Dingen Berliner BVG hören, dann ist der Tag viel schöner.
Und es ist ganz, also zum Thema Empowerment, ja, ich glaube, wenn ich das höre, dann laufe ich immer mit so einem Lächeln über die Straßen Berlins und freue mich. Also Deutschland, alle sollen es hören.
Natascha Heinisch:
Ich werde es auf jeden Fall direkt im Anschluss mir anhören. Ja, ich danke dir vielmals für unser Gespräch. Bevor wir zum Ende kommen, kommen aber natürlich noch unsere berühmten Abschlussfragen: Was bringt dich aktuell zum Fauchen und was bringt dich zum Schnurren beim Thema equal pay?
Cora Guddat:
Zum Fauchen bringt mich, dass Menschen denken, man kann für 15 € die Stunde arbeiten und davon Steuern bezahlen. Und zum Schnurren bringt mich, dass Menschen sich jetzt zusammentun und dagegen was tun wollen.
Natascha Heinisch:
Da an der Stelle auch noch mal der Aufruf an alle, die zuhören, an die jungen Leute, an die alten Leute Wir können alle was tun. Ich habe mich sehr gefreut, dass du heute da warst. Vielen, vielen, vielen Dank. Falls ihr noch Fragen habt zu der heutigen Folge, dann könnt ihr euch sehr gerne an uns wenden unter info@equalpayday.de. Und ansonsten wie immer folgt uns gerne auf Social Media. Da sind wir unterwegs unter dem Hashtag epd. Dann nochmal Danke an Dich, Cora und an euch alle da draußen. Tschüss.
Cora Guddat:
Tschüss.