Mobiles Arbeiten – Chance zu mehr Gleichstellung oder Unsichtbarkeitsfalle?

frodermann corinna

Dr. Corinna Frodermann studierte an der Universität
Erlangen-Nürnberg Sozialökonomik und promovierte anschließend
an der Universität Konstanz zum Thema „Individuelle Handlungsentscheidungen im Spannungsfeld zwischen Arbeitsmarkt und Familie“. Seit 2015 arbeitet sie am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit geschlechtsspezifischen Ungleichheiten
bei der Arbeitsmarktbeteiligung und der Vereinbarkeit
von Familie und Beruf vor dem Hintergrund unterschiedlicher
betrieblicher und sozialstaatlicher Rahmenbedingungen.

wolter stefanie

Dr. Stefanie Wolter studierte European Studies mit
Wirtschaftsschwerpunkt an der Technischen Universität Chemnitz
und Internationale Volkswirtschaftslehre an der Universität
Regensburg. Im Mai 2019 schloss sie ihre Promotion an der Julius-
Maximilian-Universität Würzburg zu „Factors of Firm Success:
Management Practices, Workforce Composition and Ownership”
ab. Stefanie Wolter ist seit Juli 2011 wissenschaftliche Mitarbeiterin am IAB. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf betrieblicher Personalpolitik und Beziehungen zwischen Betrieben und Unternehmen.

Arbeiten von Zuhause – für viele Beschäftigte war dies lange Zeit mehr Wunsch als Wirklichkeit. Vor knapp 10 Jahren arbeiteten weniger als 20 Prozent der Arbeitnehmer:innen zumindest gelegentlich von Zuhause, denn die Arbeitswelt in Deutschland war geprägt von einer Anwesenheitskultur. Zudem fehlten in vielen Berufen die technischen oder strukturellen Voraussetzungen für das Arbeiten in den eigenen vier Wänden. Homeoffice wurde hauptsächlich von (meist männlichen) Führungskräften und Müttern
genutzt, wobei zur Illustration häufig ein klischeehaftes Bild einer Mutter bemüht wurde, die mit Kleinkind auf dem Schoß am Laptop tippt.
 

Doch nicht erst durch die Covid-19 Pandemie, sondern bereits im Zuge der zunehmenden Digitalisierung gewannen flexible Arbeitsformen an
Bedeutung. Hinzu kam, dass Lebensentwürfe individueller und vielfältiger geworden sind und Beschäftigte mehr Flexibilität von ihren Arbeitgeber:innen einfordern. Diese Entwicklung schlägt sich auch in den Homeoffice-Anteilen nieder: 2019 hat knapp ein Drittel der Beschäftigten von Zuhause aus gearbeitet. 
 

Für die Arbeit im Homeoffice gibt es unterschiedliche Motive und entsprechend andere Ausgestaltungen, insbesondere im Vergleich von Männern und Frauen. Auswertungen des Linked Personnel Panel (LPP)1 zeigen beispielsweise, dass Männer häufiger als Frauen ausschließlich außerhalb ihrer vertraglichen Arbeitszeit von Zuhause arbeiten. Das heißt, dass sie diese Arbeitsform nutzen um Mehrarbeit zu leisten. Zwar trifft dies vor allem auf kinderlose Männer zu, doch auch bei den Personen mit Kindern sind es deutlich häufiger Väter als Mütter, die außerhalb ihrer Arbeitszeit im Homeoffice arbeiten.  

Der von kinderlosen Männern meistgenannte Grund für die Arbeit von Zuhause ist die Einsparung von Fahrzeiten. Väter nennen ebenso wie kinderlose Frauen und Mütter die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben als wichtigsten Grund für Homeoffice. Mütter geben jedoch häufiger als Väter an, dass sie durch die Arbeit von Zuhause ihre effektive Arbeitszeit erhöhen können. 

Werden auf der anderen Seite die Gründe untersucht, die gegen eine Arbeit im Homeoffice sprechen, berichten mehr Väter als Mütter, dass eine Trennung von Beruf und Privatleben erschwert werden würde. Sie fürchten zudem häufiger, dass Homeoffice ihre Aufstiegschancen verschlechtern könnte. Frauen hingegen geben an, dass ihren Vorgesetzten eine Anwesenheit wichtig sei – und das unabhängig davon, ob sie Kinder haben oder nicht. Unklar ist, ob dies durch unterschiedliche Wahrnehmungen bedingt ist oder ob Vorgesetzte hier geschlechterspezifische Unterschiede machen.  

Aber was bedeutet eine Verlagerung der Arbeit in die eigenen vier Wände für den Gender Wage Gap? Auf der einen Seite gibt es Hinweise, dass die Nutzung von
Homeoffice tatsächlich zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen und somit insbesondere Müttern mehr Flexibilität ermöglichen kann. Dadurch könnten sich ihre Lohnaussichten erhöhen und dazu beitragen, zu den Männern aufzuschließen. Auf der anderen Seite ist aber auch möglich, dass für flexible Arbeitsbedingungen und das Arbeiten von Zuhause geringere Löhne und/oder schlechtere Aufstiegschancen in Kauf genommen werden. Dadurch könnte sich der Gender Wage Gap sogar erhöhen, wenn verstärkt Mütter aufgrund der nach wie vor eher traditionellen Rollenzuschreibung diesen Tausch eingehen. In der Forschung ist bisher nur wenig bekannt über die Auswirkung von Homeoffice auf die geschlechterspezifische Lohnlücke. Eine Studie deutet darauf hin, dass Mütter nur dann von höheren Stundenlöhnen profitieren, wenn sie von der Möglichkeit des Homeoffice Gebrauch machen und dies gleichzeitig mit einem Arbeitgeberwechsel einhergeht. Bleiben sie dagegen im bisherigen Unternehmen, erhöhen sie zwar ihre vertragliche Arbeitszeit, die Stundenlöhne bleiben hingegen unverändert. Väter hingegen profitieren unabhängig von einem Arbeitgeberwechsel von einer Lohnsteigerung durch die Nutzung von Homeoffice.
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Die Covid-19 Pandemie hat viele Beschäftigte und Unternehmen erstmals mit Homeoffice konfrontiert. Die Möglichkeit für das Arbeiten von Zuhause wurde in sehr kurzer Zeit für eine Vielzahl von Beschäftigten geschaffen, Vorbehalte gegenüber Homeoffice aus der Zeit vor Corona spielten keine Rolle mehr und Geschlechterunterschiede in der Nutzung wurden nivelliert. Dies gibt Unternehmen und Beschäftigten die Chance, ortsflexible Arbeit neu zu bewerten, denn letztlich bietet Homeoffice das Potenzial einer Win-Win-Situation. Gleichzeitig besteht die Herausforderung, dass sich die eingeschränkte Sichtbarkeit des Arbeitens von Zuhause im Rahmen der vertraglichen Arbeitszeit nicht auf die Verhandlungsposition der Beschäftigten auswirken darf; mit anderen Worten: Eine gerechte Entlohnung von Arbeit sollte nicht davon abhängen, wo sie verrichtet worden ist, wichtig sollte das Ergebnis sein.

1 Ruf, Kevin; Mackeben, Jan; Haepp, Tobias; Wolter, Stefanie; Grunau, Philipp (2020): „Linked Personnel Panel (LPP) – Version 1819 v1. Forschungsdatenzentrum der
Bundesagentur für Arbeit (BA) im Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

2 Arntz, Melanie; Ben Yahmed, Sarra; Berlingieri, Francesco (2019): Working from Home: Heterogeneous Efects on Hours Worked and Wages.
ZEW-Disscussion-Paper, No. 19 – 015.

 

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